Medien:Eine Idee zu viel?

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Ralf-Dieter Brunowsky macht eine unabhängige Finanz-Zeitschrift — und zugleich das Kundenmagazin einer Finanzfirma.

Daniela Kuhr

(SZ vom 2.7.2003) — Auf den ersten Blick ist es ein ganz normaler Artikel: In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Geldidee vergleicht ein Autor die Erfolgsaussichten der Finanzdienstleister AWD und MLP.

Die Botschaft: "Der Börsenfrischling AWD hängt den Konkurrenten MLP ab: mehr Kunden, mehr Umsatz, mehr Profit", so der Untertitel der Zwei-Seiten-Story.

Ein Text, wie ihn die Leser von Finanzblättern lieben — mit klarer Aussage und Empfehlung: MLP-Aktien sollte man in AWD-Papiere tauschen, rät ein zitierter Analyst. Und trotzdem, alles Wissenswerte haben die Leser dann doch nicht erfahren — den einen oder anderen hätte sicher interessiert, dass der Herausgeber der Geldidee zugleich die Kundenzeitschrift für den AWD herstellt.

Als Ralf-Dieter Brunowsky vor wenigen Monaten Herausgeber der Geldidee (Auflage: 161.000 Exemplare) wurde, waren mögliche Interessenskonflikte offensichtlich. Denn der langjährige Chefredakteur von Capital hatte nach seinem Abgang dort im Jahr 2001 die Seiten gewechselt: Erst warb er in Fernsehspots für die Deutsche Telekom ("Leistungsstärke und Innovationskraft wird sich durchsetzen."), später entwickelte seine neu gegründete Agentur BrunoMedia Kundenmagazine für Firmen.

Darunter befindet sich seit September 2002 auch der Finanzplaner, eine Publikation des Finanzdienstleisters AWD.

Unter Beobachtung

Doch dann gelang der Schritt zurück in den Publikumsjournalismus: Seit der Heinrich Bauer Verlag aus Kostengründen die hauseigene Redaktion der Geldidee auf die Straße setzte, betreut Brunowskys Team von etwa 30 bis 40 freien Mitarbeitern das Objekt redaktionell; Brunowsky wusste, dass er jetzt in der Branche "unter Beobachtung steht", wie er selbst sagt.

Welche Konsequenzen er daraus gezogen hat, bleibt sein Geheimnis. Fest steht nur: Ganze vier Ausgaben hat es gedauert, bis in der Geldidee ein Jubel-Artikel über den AWD erschien. War das eine Idee zu viel?

Das Wort "Jubel-Artikel" hört Brunowsky, der sich auch an der Netzeitung beteiligt hat, überhaupt nicht gern. "Ausgewogen" ist ihm lieber. Schließlich spreche doch tatsächlich Vieles gegen MLP. Da hat er recht: Das Dax-Mitglied ist ziemlich angeschlagen.

Nach heftigen Vorwürfen von Aktionärsschützern musste der Konzern seine Bilanzierungspraxis ändern und leidet seither unter Imageproblemen. Zahlen und Analystenurteile sind beim AWD eindeutig besser.

Doch auch die Finanzfirma aus Hannover hat Schwächen, die bei Geldidee nicht erwähnt werden. Weder kommt der Deutsche-Bank-Analyst zu Wort, der die AWD-Aktie auf "verkaufen" gestuft hat, noch wird erwähnt, dass zahlreiche Anleger gegen den AWD wegen angeblicher Falschberatung klagen.

Stattdessen nimmt der Autor die Tatsache, dass AWD-Chef Carsten Maschmeyer einen bereits bestellten Maybach stornierte, als Beleg dafür, dass Maschmeyer "auf dem Boden" geblieben sei; MLP-Chef Bernhard Termühlen hingegen fahre weiter Porsche.

AWD ("klares, einfaches Geschäftsmodell") wirke "inzwischen seriöser" als Termühlens Firma, schreibt die Geldidee, und beruft sich dabei auf den "Vertrauensverlust", das "schwer verständliche Geschäftsmodell" von MLP und "Sex-and-Crime-Geschichten".

"Ein ganz normaler Unternehmensvergleich"

"Ein ganz normaler Unternehmensvergleich", sagt Brunowsky: "Als uns der Artikel angeboten wurde, haben wir darüber diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass er in Ordnung ist." Langfristig will er zwar die Bereiche Kunden- und Publikumszeitschriften trennen, aber so weit sei es noch nicht.

Jetzt habe die Redaktion erst mal frei entscheiden müssen. "Es kann nicht sein", so Brunowsky, "dass in einer Zeitschrift wie der Geldidee der Finanzdienstleister AWD keine Rolle spielen darf."

Das ist vermutlich richtig. Aber sollte man nicht — gerade bei diesen Verquickungen — sicherstellen, dass die Berichterstattung über AWD distanziert und kritisch ist? "Wir verstehen uns nicht als die Investigativen, sondern greifen Themen auf, um positive Anregungen zu geben", sagt Brunowsky offen.

Außerdem habe der Autor des Artikels bisher nicht für den Finanzplaner von AWD geschrieben. "Negatives lässt sich nicht positiv verkaufen", hatte ein Redner auf den Münchner Medientagen 1998 berichtet. Es war der Chefredakteur von Capital - Ralf-Dieter Brunowsky.

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