Medien:Baustelle Berlin

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Die Nachrichtenagentur "ddp" will sich von einem heimlichen Finanzier trennen und schaltet den Staatsanwalt ein.

Von Klaus Ott

Auf dieses Geld hatte der Deutsche Depeschen Dienst ( ddp) lange gewartet. Im Dezember 2003 erhielt die Nachrichtenagentur mit Sitz in Berlin endlich die erhoffte Finanzhilfe, die bis zum Frühjahr den Etat des defizitären Medienunternehmens sichern sollte.

Die Schweizer Großbank UBS überwies 500.000 Euro; im Auftrag eines Investors, der öffentlich nicht genannt werden sollte und dessen Name angeblich nicht einmal auf der Zahlungsanweisung vermerkt war.

Inzwischen ist ddp-Geschäftsführer Lutz Schumacher nicht mehr ganz so froh über das viele Geld. Am gestrigen Montag eilte der Mitinhaber der Agentur nach deren Angaben zur Berliner Staatsanwaltschaft, um Anzeige wegen des Verdachts der Geldwäsche zu erstatten.

Der Vorwurf richtet sich gegen den Österreicher Peter Kölbel, der erst mit Immobilien handelte und dann eine Medienkarriere startete, die ihn über den Balkan und die Schweiz nach Deutschland führte.

Hier kümmert sich der 52-Jährige um die Lokalsender TV München und TV Berlin, die einst zum Kirch-Imperium gehörten und nach dessen Pleite vom Bauunternehmer Hanno Soravia übernommen wurden.

Der Wiener Großindustrielle und Hotelier (Hilton) ist offiziell Hauptbetreiber der beiden Stationen, seine Fernsehholding Kanal 1 GmbH wird von Kölbel gemanagt.

Soravia soll auch, was er bestreitet, der heimliche Geldgeber von ddp sein. Die Dezember-Investition in die Nachrichtenagentur stammt laut deren Auskunft jedenfalls von Kölbel, mit dem es eine Finanzierungsvereinbarung über insgesamt immerhin drei Millionen Euro gebe.

Neues Umfeld gesucht

Das Kapital sollte die Existenz der Nachrichtenfirma sichern, die 1972 als kleine Konkurrenz zur großen dpa (Deutsche Presse-Agentur) gegründet worden war und nach einer wechselvollen Geschichte von der Pro-Sieben-Gruppe aus dem Kirch-Konzern geschluckt wurde.

Nach der Kirch-Pleite kam Kölbel, den der ddp jetzt wieder loswerden will. Man werde "alle erforderlichen Schritte unternehmen, um die Geschäftsverbindung umgehend zu beenden", teilte die Agentur in eigener Sache mit.

Anlass für die abrupte Kehrtwende war ein Beitrag in der neuesten Ausgabe von Focus, in dem Kölbel als "bevollmächtigter Vertreter" der Liechtensteiner Treuhandfirma Mitsui Securities Eastern Europe Fund AG aufgeführt wird, die trotz eines EU-Embargos Geschäfte mit der Familie des serbischen Ex-Diktators Slobodan Milosevic gemacht habe.

Von diesen Kontakten habe man bei Vertragsabschluss mit Kölbel nichts gewusst, erklärte ddp und gab die Strafanzeige bekannt.

Möglicherweise kommen die Vorwürfe nicht ganz ungelegen, denn schon seit Monaten lässt die Agentur nach Alternativen zum Wiener Kapital suchen. Im Umfeld von Kölbel und Soravia fühlt sich ddp-Geschäftsführer Schumacher offenbar nicht mehr wohl.

Die Informationsfirma, die nach der Kirch-Pleite kurz vor der Einstellung stand, kämpft weiter um ihre Existenz. Um neue Kunden zu gewinnen, bedarf es seriöser und solider Geschäfte statt heimlicher Finanziers, gerade in der Nachrichtenbranche.

Im vergangenen Jahr, als der ddp noch Bestandteil der Pro-Sieben-Gruppe war, wurde die Agentur laut internen Unterlagen zahlreichen Pressehäusern angeboten: Der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, der Augsburger Allgemeinen, dem Kölner Stadt-Anzeiger, der Mittelbayerischen Zeitung, der Passauer Neuen Presse, und so weiter.

Niemand griff zu, nicht einmal zum symbolischen Kaufpreis von einem Euro. Doch jetzt soll es Vorverträge mit drei potenziellen Investoren geben, mit deren Hilfe sich der ddp von Kölbel lösen könnte.

Der Wiener Medienmanager, der im Urlaub weilt und am Montag (ebenso wie sein TV-Partner Soravia) nicht erreichbar war, muss derweil noch andere Probleme lösen. In München wird heftig um das Lokal-TV gestritten.

Die Landesmedienzentrale, die hier das kommerziellen Fernsehen beaufsichtigt, will eine Kooperation der beiden örtlichen Stationen erzwingen. TV München und RTL München Live sollen ihre Programme in der Hauptsendezeit gemeinsam produzieren und vermarkten.

Der Werbemarkt reiche nicht für zwei konkurrierende Angebot, glaubt die Medienzentrale. Doch keine der beiden Lokalstationen mag sich von der anderen majorisieren lassen.

RTL München Live wehrt sich bislang mit Erfolg gegen eine Übernahme der eigenen Sendezeiten (Montag bis Freitag von 18 bis 18.30 Uhr) durch TV München und gegen eine Zwangsehe.

Auf Antrag der RTL-Partner entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz gegen die Medienzentrale. Helmut Markwort, Burda-Vorstand und Focus-Chefredakteur, spricht von "juristischer Notwehr". Markwort betreibt RTL München Live zusammen mit dem Verlag der Süddeutschen Zeitung, Burda und weiteren Presseunternehmen.

Der VGH befand, die Medienzentrale habe den Streitfall nicht ausreichend geprüft. Auch hier gibt es also noch einiges aufzuklären.

© SZ vom 03.02.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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