Martina Merz, Thyssenkrupp:Sie will Thyssenkrupp gesundschrumpfen

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Martina Merz ist Vorstandsvorsitzende von Thyssenkrupp und damit eine der wenigen Frauen an der Spitze eines Industriekonzerns. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Von Benedikt Müller

Sie hat den wohl kniffligsten Chefposten der deutschen Industrie: Martina Merz will zumindest damit beginnen, Thyssenkrupp aus der Krise zu führen. Hohe Schulden und Pensionsverpflichtungen lasten auf dem Stahlkonzern mit 162 000 Beschäftigten; die schwache Nachfrage der Autoindustrie und weltweite Konkurrenz sind weitere Gründe, warum die Essener Verluste einfahren. "So wie bisher kann es nicht weitergehen", konstatierte Merz. Die Alemannin, die gerne Vespa fährt, rückte im Herbst zunächst für ein Jahr von der Aufsichtsrats- an die Vorstandsspitze - ein hierzulande ungewöhnlicher Wechsel. Doch war mehreren Kontrolleuren der Konzernumbau unter dem vorigen Vorstandschef Guido Kerkhoff zu langsam gegangen. Unter ihm hatte Thyssenkrupp erfolglos versucht, die krisenanfälligen Stahlwerke in ein Gemeinschaftsunternehmen auszulagern; auch eine geplante Zweiteilung des Ruhrkonzerns scheiterte. Merz hingegen genießt bislang das Vertrauen der beiden größten Aktionäre: der Krupp-Stiftung und des schwedischen Finanzinvestors Cevian.

Bis März will die 56-Jährige nun eine schwierige Entscheidung fällen: Thyssenkrupp will die profitable Aufzugssparte entweder an die Börse bringen, teilverkaufen oder gar komplett abgeben. Der Konzern registriert "großes Interesse" von Finanzinvestoren und Konkurrenten. Der Vorstand muss abwägen, ob er entweder auf einen Schlag viel Geld einnehmen oder wenigstens noch teilweise vom stabilen Aufzugsgeschäft profitieren will.

Und dann stellt sich die Frage, wofür Thyssenkrupp die Einnahmen aus dem Aufzugsdeal vor allem nutzen sollte: Schulden abbauen? Pensionsverpflichtungen decken? In die Zukunft investieren? "Die Geschäfte stehen miteinander im Wettbewerb um Investitionen", hat Merz schon einmal angekündigt. Neben den Stahlwerken sind das etwa Werften, Anlagenbau und Autokomponenten.

Dass einige Konzernsparten "beliebig und dauerhaft" die Verluste der anderen ausgleichen, werde es unter ihr nicht mehr geben, sagte die Vorstandschefin. Und wenn Geschäfte nicht absehbar zu den Besten ihrer Branche gehörten, "müssen wir uns offen eingestehen, dass wir nicht der beste Eigentümer sind".

Gut möglich also, dass der größte Industriekonzern des Ruhrgebiets in diesem Jahr deutlich kleiner wird. Bis zu 6000 Stellen will Thyssenkrupp abbauen, hieß es zuletzt, 2000 davon in Deutschland - und es ist nicht mehr ausgeschlossen, dass es noch mehr werden könnten.

Mit alldem hat Merz Erfahrung: Die Maschinenbauingenieurin leitete während ihrer Karriere beim Autozulieferer Bosch gleich zweimal ein Geschäftsfeld, das verkauft wurde. Beide Male wechselte sie als Chefin mit.

© SZ vom 02.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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