Marode Unternehmen:Erst ein paar Kredite und dann die ganze Firma

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Kaum ein Geschäft ist bei Finanzinvestoren derzeit so beliebt wie der Handel mit faulen Krediten. Was Banken loswerden wollen, kaufen die Spekulanten und gewinnen so häufig die Kontrolle über deutsche Firmen. Gelingt die Sanierung, profitieren Investoren und Unternehmen.

Martin Hesse

Wenn Heike Munro von den Wachstumschancen in Deutschland schwärmt, dann ist das kein gutes Zeichen. Die Managerin investiert nämlich für die Deutsche Bank von London aus in Kredite angeschlagener Unternehmen. "Der Markt für Problemkredite in Deutschland ist attraktiv und hat weiteres Wachstumspotenzial", sagt Munro. Das heißt im Klartext: Trotz des Aufschwungs werden mehr deutsche Firmen Schwierigkeiten haben, ihre Schulden zu bedienen. Schon 2005 wurden in Europa problematische Kredite im Volumen von 30 Milliarden Euro gehandelt, die Hälfte davon waren Schulden deutscher Unternehmen.

Investiert in angeschlagene Unternehmen - die Deutsche Bank. (Foto: Foto: ddp)

Ein Teil dieser Kredite ist allerdings nicht erst seit gestern faul. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young schätzt, dass in den Büchern deutscher Banken 250 Milliarden Euro faule Kredite schlummern. Nur in China sind die Altlasten größer. Doch erst seit 2003 beginnen Hausbanken, die früher mit ihren Firmenkunden durch dick und dünn gingen, sich verstärkt von faulen Krediten zu trennen, weil sie die Risiken in ihren Büchern schnell reduzieren wollten. Käufer sind spezialisierte Investoren: Hedge-Fonds, Beteiligungsfirmen und Investmentbanken wie die Deutsche Bank.

"Alternative wäre Totalverlust gewesen"

Die Investoren spekulieren darauf, dass die Kredite, die sie mit einem Abschlag kaufen, wieder an Wert gewinnen. In den vergangenen Jahren brachte der Handel mit notleidenden Krediten Renditen zwischen zehn und 25 Prozent. Das lockt Spekulanten an, so dass die Marktpreise für Kredite steigen. In vielen Fällen kann das Geschäft mit faulen Krediten aber nur aufgehen, wenn die betroffenen Firmen aus der Krise finden.

Bei dem Strumpfhersteller Kunert hat das geklappt. Anfang 2005 stand das Unternehmen vor der Wand. Die Deutsche Bank kaufte gemeinsam mit den Hedge-Fonds Trafalgar, Kingsbridge und Eco die Kreditlinien, verlängerte sie, schoss Eigenkapital zu und leiteten mit der Beratungsfirma Alix Partners eine Restrukturierung ein. Jetzt ist Kunert auf gutem Wege, die Insolvenz ist abgewendet. Schmerzfrei verlief die Sanierung nicht: Alix und die Investoren bauten 500 von 1600 Stellen ab, die Alteigentümer verloren durch einen Kapitalschnitt viel Geld. "Doch die Alternative wäre der Totalverlust und der Abbau aller Stellen gewesen", sagt Detlev Schauwecker, der für Alix ins Management von Kunert rückte.

Geschäft mit Schulden wächst auch in Zukunft

Laut Munro hat die Deutsche Bank, wenn sie Kredite kauft, nicht das Ziel, Eigentümer zu werden. "Doch oft ist das Eigenkapital so gering, dass die neuen Gläubiger zwangsläufig Kapital einschießen müssen." Das gilt vor allem für mittelständische Firmen, die in Deutschland traditionell eine dünne Kapitaldecke haben. In schlechten Zeiten bekommen sie deshalb Probleme. Es sind daher Namen wie Kiekert, Märklin oder Honsel, die am Finanzplatz London heiß gehandelt werden. "Manche Investoren spekulieren dabei von vornherein darauf, die Kredite später in Eigenkapital umtauschen zu können", sagt Ansgar Zwick, Deutschlandchef der Investmentbank Houlihan Lokey Howard & Zukin.

Ob sich Kredite so einfach verkaufen lassen, ist umstritten. Laut Ulrich Wlecke, Partner bei der auf Restrukturierungen spezialisierten Firma Alix Partners, können Banken formal Kreditgeber bleiben, de facto aber im Auftrag neuer Gläubiger handeln. Neue Kreditverträge enthalten zudem Klauseln, die den Weiterverkauf ermöglichen. Bei Mittelständlern regt sich dagegen Widerstand. Um die Kundschaft nicht zu verprellen, kündigte daher vor kurzem der Baden-Württembergische Sparkassenverband an, keine Kredite mehr weiterzuverkaufen.

Dennoch dürfte das Geschäft mit den Schulden wachsen. Neue Krisenfälle erwartet Munro vor allem in der Autozulieferindustrie, in Einzelhandel und Baubranche. Viele dürften laut Munro aus dem Besitz von Beteiligungsfirmen kommen, die derzeit Übernahmen in besonders hohem Ausmaß mit Schulden finanzieren und sie den Firmen aufbürden. Doch auch wenn die Kredit-Spekulanten neues Futter bekommen, könnte die Rechnung künftig häufiger nicht aufgehen. "Der Markt ist etwas überhitzt", sagt Munro. Finanzinvestoren haben teils so viel Geld und Leute auf faule Kredite angesetzt, dass sie nun kaufen müssen und wohl zu hohe Risiken eingehen.

© SZ vom 6.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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