Marlboro Man & Co.:Rauswurf aus dem Web

Lesezeit: 2 min

Noch vor einem Monat schien das Internet eine der letzten Bastionen der Zigaretten-Werbung zu sein. Doch nun nahmen die Tabak-Multis überstürzt ihre Seiten in EU-Ländern aus dem Netz.

Paul Trummer

Wer seit Jahresbeginn versucht hat, die deutsche Website einer Zigarettenmarke aufzurufen, fand überall das gleiche trostlose Bild vor: Ein kurzer Text und danach als einzige optische Auflockerung ein schwarz umrahmter Warntext: "Rauchen kann tödlich sein".

Die bunte Werbewelt von Camel, Marlboro, Lucky Strike und West ist inzwischen zu einem einzigen Warnhinweis verkommen. (Foto: Screenshot www.west.de)

Egal ob camel.de, west.de oder lucky-strike.de: Alle deutschen Zigaretten-Websites wurden offenbar vom Netz genommen.

Als Grund dafür wird auf den Websites das Inkrafttreten der EU-Tabakwerberichtlinie genannt, der zufolge Werbung für Tabakprodukte im frei zugänglichen Internet verboten ist.

Gegenüber sueddeutsche.de bestätigt Reemtsma-Sprecher Sebastian Blohm diesen Grund. "Das Gesetz ist am 29.12.2006 in Kraft getreten. Daraufhin haben wir unsere Website vom Netz genommen". Sie werden auch nicht mehr online gehen, denn auf die Frage, ob das das Ende der Internetpräsenz für Zigaretten in Deutschland bedeute, meint Blohm lapidar: "Für uns ja."

Den Jugendschutz im Herzen

Blohm unterstreicht, dass Reemtsma als eines der ersten Tabakunternehmen auf diese Richtlinie reagiert hätte, denn "wir sehen uns als verantwortungsvolles Unternehmen, dem vor allem der Jugendschutz am Herzen liegt."

Allerdings führte die Auslegung der Richtlinie offenbar zu einigem Zoff in der Tabakindustrie, denn nicht alle sahen darin die Notwendigkeit des unmittelbaren Abschaltens ihrer Webpräsenz. "Nach einigen Auseinandersetzungen gehen nun aber alle Anbieter vom Netz", so Blohm.

Schon vor Inkrafttreten der Tabakwerberichtlinie zeichneten sich Zigaretten-Websites durch vergleichsweise strikte Zugangsbeschränkungen aus: Neben der Eingabe von Alter und Anschrift wurde oftmals die Reisepassnummer abgefragt, um sicherzustellen, dass nur erwachsene Raucher Zutritt zum meist humorvoll gestalteten Inhalt der einzelnen Zigaretten-Websites haben. Auch Schufa-Abfragen aus diesem Grund waren nicht ungewöhnlich.

Hochsicherheits-Website Marlboro.com

Einen Eindruck von den bis Ende letzten Jahres hier geltenden Zugangsbeschränkungen kann man sich immer noch verschaffen, etwa bei www.marlboro.com, der amerikanischen Startseite des Tabakriesen Philipp Morris. Diese ist unter der Adresse smokerssignup.com verlinkt und gleicht eher der trockenen Internet-Präsenz eines Finanzberaters denn einer Werbeseite für ein Konsumprodukt.

Ist man wirklich gewillt, Informationen oder Gutscheine der Zigarettenmarke Marlboro zu beziehen, so muss man zuvor umfassende Informationen von sich preisgeben: Name, Adresse, Geburtsdatum, Führerscheindaten und die letzten vier Stellen der Sozialversicherungsnummer sind nötig, um Zugang zur Marlboro-Website zu erhalten.

Ist man unter 21 oder nicht amerikanischer Staatsbürger, bleibt der Zugang gänzlich verwehrt.

Willentlicher Abruf

Für eine Information, die der Verbraucher willentlich abrufen muss, sind diese Zugangsbeschränkungen also durchaus rigoros.

Obwohl sich Internet-Werbung dadurch eigentlich von anderen Werbeformen unterscheidet, macht die EU-Richtlinie zum Tabakwerbeverbot keinen Unterschied zwischen Websites und Radio- oder Printwerbung.

Dass die EU mit ihren Werbeverboten über die bislang ja schon strikten Zugangsbeschränkungen hinaus geht, ist vor allem einem Ziel geschuldet: dem Rückgang der Raucherzahlen in Europa.

Ob dies erreicht wird, ist ungewiss. Sicher ist lediglich, dass dadurch Verlagen und Werbeagenturen Millionen an Werbegeldern entgehen.

Die Tabakindustrie moniert, dass Erfahrungen mit anderen Ländern, in denen strenge Werbeverbote schon länger existieren, zeigten, dass durch die Verbote die Zahl der Raucher keineswegs gesenkt werden konnte: Denn eines sei klar: "Der Gesundheitsgedanke hinter dem Werbeverbot, der zieht nicht", sagt Reemtsma-Mann Blohm.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: