Manuel Caldeira Cabral:"Unsere Politik ist missverstanden worden"

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Manuel Caldeira Cabral, 49, ist Wirtschaftsminister Portugals. Er begann seine Karriere als Journalist, sattelte später auf eine akademische Laufbahn um. Er promovierte in Ökonomie im britischen Nottingham. (Foto: Bloomberg)

Portugals Wirtschaftsminister erklärt, warum Sparen und Investieren zusammenpassen.

Interview von Andrea Rexer, Lissabon

Auf der Digitalkonferenz Web Summit ist die Delegation des portugiesischen Wirtschaftsministeriums leicht zu erkennen. "Wir sind die mit den steifen Anzügen", sagt einer der Mitarbeiter lachend. Und tatsächlich taucht plötzlich zwischen den jungen Tech-Begeisterten in ihren Jeans und Pullis ein Mann im gut sitzenden blauen Business-Anzug auf: Portugals Wirtschaftsminister Manuel Caldeira Cabral. Der Ökonom gehört seit 2015 als Unabhängiger der Regierung der Sozialisten an.

SZ: Noch vor Kurzem stand Portugal schlecht da, jetzt geht es aufwärts. Woher kommt der plötzliche Aufschwung?

Caldeira Cabral: Wir haben auf Investitionen gesetzt - und das hat funktioniert.

Also hatten die Deutschen mit ihrem Spardiktat unrecht?

Unsere Politik ist missverstanden worden. Unser zentrales Anliegen war es von Anfang an, bessere Bedingungen für Investitionen zu schaffen. Und tatsächlich haben wir einen Rekord erreicht, was ausländische Direktinvestitionen angeht. Das hat das Wachstum gestärkt und die Arbeitslosigkeit gesenkt. Vor eineinhalb Jahren hatten wir noch eine Arbeitslosenquote von über 12 Prozent, jetzt sind es 8,5 Prozent.

Und die hohen Staatsschulden?

Die haben wir auch reduziert. Unser Haushalt steht jetzt besser da als vor zwei Jahren. Es ist leichter, den Haushalt zu verbessern, wenn es Wachstum gibt. Konsolidieren und Investieren sind kein Widerspruch. Das ist es nur, wenn man gezwungen ist so stark zu sparen, dass es das Wachstum abwürgt. Ich verstehe, dass es Zweifel an unserer Politik gab, aber wir haben bewiesen, dass unsere Maßnahmen die richtigen waren. Wir sind enthusiastisch, was die Zukunft angeht.

Wie fit sind die portugiesischen Unternehmen für die Digitalisierung?

Wir haben vor zwei Jahren ein Programm aufgelegt, das strukturelle Reformen in der Digitalisierung des Landes vorantreiben soll. Wir sehen bereits jetzt die ersten positiven Effekte.

Wie wichtig ist die Tech-Industrie für Portugals Wirtschaft?

Sie leistet einen wichtigen Beitrag. Wir haben einige der großen Tech-Unternehmen im Land, wie etwa Microsoft oder Google. Aber auch Industrie-Konzerne eröffnen in Portugal digitale Zentren. Mercedes beispielsweise hat gerade einen Software-Hub mit 350 Leuten eröffnet, um an selbstfahrenden Autos zu arbeiten. Siemens hat ein Cybersicherheitszentrum aufgebaut. Wir sind stolz, dass diese Unternehmen kommen.

Wie locken Sie diese Unternehmen an?

Unsere größte Stärke sind unsere sehr gut ausgebildeten jungen Arbeitnehmer. Wir haben enorm aufgeholt: In der älteren Generation von 55 bis 65 gibt es in Deutschland drei Mal so viele Akademiker wie in Portugal. Aber bei der jungen Generation von 25 bis 35 Jahren haben wir fünf Prozent mehr mit Studienabschluss. Interessant für die Unternehmen ist vor allem, dass wir viele Software-Ingenieure haben, die anderswo dringend gesucht werden.

Woher kommt dieser Überfluss?

Viele junge Leute sind auf den Arbeitsmarkt gekommen, als die portugiesische Wirtschaft in der Krise steckte und noch traditionelle Strukturen aufwies. Während ganz Europa einen Engpass an diesen Fachkräften beklagte, hatten wir plötzlich einen Überfluss. In der Krise sind viele von diesen jungen Leuten ins europäische Ausland gegangen. Jetzt überlegen die Unternehmen zunehmend, warum sie nicht gleich in Portugal eine Niederlassung eröffnen, statt die Portugiesen anderswo einzustellen. Der Web Summit unterstützt das, weil er Investoren hierher gebracht hat.

Wie leicht ist es denn für Start-up-Gründer, hier Fuß zu fassen?

Wir haben viel unternommen, um die Situation zu verbessern. Dazu gehören Steuererleichterungen für Wagniskapitalgeber, dazu gehört auch, dass wir das Ökosystem gestärkt haben, indem wir Inkubatoren vernetzten und mitfinanzieren. Außerdem bewerben wir unsere Start-ups international.

Wie sieht es denn mit der Bürokratie aus?

Auch da haben wir viele Hürden abgebaut. Gründungen kann man jetzt auch auf Englisch, nicht mehr nur auf Portugiesisch registrieren lassen, wir bieten ein Start-up-Visa für Gründer außerhalb der EU an. Wir sind ein offenes Land, wir sind offen für Menschen, offen für Investitionen, die unser Land weiterentwickeln. Unsere weltoffene Mentalität haben wir Portugiesen ja schon im 15. Jahrhundert unter Beweis gestellt, als unsere Entdecker losgezogen sind. Wir haben das im vergangenen Jahrhundert erneut gezeigt, als viele Portugiesen auswanderten, um anderswo zu arbeiten - und auch in der jüngsten Krise sind wieder viele Menschen außer Landes gegangen, nach Deutschland oder Brasilien beispielsweise. Jetzt wollen wir diesen Respekt erwidern, der den Portugiesen zuteil geworden ist, indem wir selbst andere offen bei uns willkommen heißen.

Hatte die Krise auch ihr Gutes?

Das würde ich so nicht sagen. Denn wir haben nicht erst durch die Krise strukturelle Reformen eingeleitet, der Prozess begann schon früher. In der Krise wurden plötzlich viele gute Unternehmen vom Geldfluss abgeschnitten, auch die Auswanderung von rund zehn Millionen Menschen hat uns hart getroffen. Immerhin kommen jetzt viele wieder zurück. Gut ist, dass sich die Portugiesen nicht unterkriegen lassen, sondern positiv in die Zukunft schauen.

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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