Mannesmann-Zerschlagung:Die Empörung ist gewichen

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Vor genau fünf Jahren endete die Übernahmeschlacht um Mannesmann. Der Konzern wurde seitdem in viele Einzelteile zerlegt - das tat einigen seiner Töchter gut. Unter den neuen Eigentümern arbeiten sie oft profitabler als früher als fünftes Rad am Wagen im Mischkonzern Mannesmann.

Von Antonie Bauer

Als am 3. Februar vor fünf Jahren Chris Gent und Klaus Esser die Übernahme Mannesmanns durch Vodafone besiegelten, war die Empörung vielerorts groß.

Am 3.Februar 2000 besiegelten Vodafone-Chef Chris Gent und Mannesmann-Vorstandsvorsitzender Klaus Esser die Übernahme von Mannesmann. (Foto: Foto: dpa)

Eine deutsche Ikone war verkauft worden; schlimmer noch, trotz gegenteiliger Beteuerungen der Briten befürchteten viele, dass der übernommene Konzern zerschlagen werden sollte.

Die Skeptiker behielten Recht - die Folgen waren allerdings nicht so schlimm, wie manche Skeptiker erwartet hatten.

Der alte Mannesmann-Konzern war ein Konglomerat, in dem über die Jahre zusammengekommen war, was nicht unbedingt zusammengehörte: Röhren und Uhren, Mobilfunk, Autoteile und Maschinenbau.

In viele Einzelteile zerlegt

Heute ist der Konzern zerlegt - in wie viele Einzelteile, ist unklar, denn so manche frühere Tochter wurde bereits weiter zerstückelt und weiterverkauft. In mindestens 20 oder 30 Firmen finden sich heute ehemalige Teile des Mannesmann-Konzerns, schätzt Horst Wessel, Leiter des Mannesmann-Archivs.

Ihnen ist es recht unterschiedlich ergangen. "Wir sind die Gewinner der Zerlegung", erklärt beispielsweise der Sprecher der Mannesmann Röhrenwerke, die als einzige Firma noch den stolzen Namen tragen. Dabei hatten auch dort unmittelbar nach der Übernahme Wut und Frust geherrscht.

Stahlgeschäft läuft heute gut

Doch seither ist es mit den Röhrenwerken so steil bergauf gegangen, dass das Urteil allerseits positiv ausfällt. Im Mannesmann-Konzern war das ursprüngliche Kerngeschäft zur Belastung geworden; auch der mobilfunk-verliebte Esser wollte sich davon trennen.

Die Briten waren froh, dass sie es für eine symbolische Mark an die Salzgitter AG los wurden. Die Belegschaft ist es heute auch: Statt ein fünftes Rad am Wagen eines Mischkonzerns sind die Röhrenwerke heute ein profitables und geschätztes Standbein der Firma.

"Da läuft alles gut", sagt denn auch Oliver Drebing, Analyst bei SES Research. Der Firmensprecher kann das nur bestätigen: "Wir sind eindeutig in bessere Hände gekommen" - zu einer Mutter, die das Stahlgeschäft verstehe und schätze.

Neue Eigentümer geben klare Richtung vor

Viel Verständnis hatten die Manager der verschiedenen Sparten nicht immer füreinander. Dafür führte der Konzern sie aber an der langen Leine, die meisten empfanden die Freiheit als sehr angenehm. So sollen beispielsweise Uhren-Manager den Zeiten nachtrauern, in denen sie nur ihre Gewinnziele erfüllen mussten. Heute gehören sie zum Richemont-Konzern, und ihr neuer Eigentümer kennt sich mit Uhren nicht nur aus, er gibt auch die Richtung vor.

Bei der Mobilfunkgesellschaft, um die sich die Übernahmeschlacht seinerzeit drehte und die heute den Namen Vodafone trägt, genießt man es dagegen, keine Uhren- oder Röhrenhersteller mehr in Leitungsgremien von der eigenen Strategie überzeugen zu müssen. Als eine der wichtigsten Töchter habe Vodafone Deutschland im heutigen Konzern vermutlich mehr Einfluss als früher, sagt ein Sprecher.

Er zählt sein Unternehmen ebenfalls zu den Gewinnern der Übernahme, und im Wesentlichen widersprechen ihm die Experten da nicht - obwohl sie manchen Aspekt kritisieren. So erinnert Analyst Marcus Sander von Sal. Oppenheim an die Probleme, die sich durch den Übergang von der "starken Marke" Mannesmann D2 zu Vodafone ergaben. Zudem habe der Konzern die viel beschworenen Kostensynergien noch wenig genutzt.

Vodafone Deutschland steht heute gut da

"Mannesmann war sicher in der Lage, auch alleine zu bestehen", sagt Sander. Allerdings bringe Vodafones Einstieg einige Vorteile: beim Einkauf etwa, wo der weltgrößte Mobilfunkkonzern vorrangig bedient wird und besondere Konditionen genießt. Weitere Vorzüge sind Sander zufolge das riesige internationale Telefonnetz und die Finanzkraft des britischen Konzerns, der die hohen Kosten der UMTS-Lizenzen in Großbritannien und Deutschland besser abfedern könne.

Heute steht Vodafone in Deutschland jedenfalls sehr gut da, mit beeindruckenden Kunden-Zuwächsen und ansehnlichen Renditen. Mit dem Festnetzgeschäft können die neuen Herren dagegen wenig anfangen. Sie behielten von vorneherein nur die deutsche Tochter Arcor. Die entwickelte sich zwar gut weiter, eine Zukunft im Konzern hat sie aber nicht.

Vodafone wartet nur noch auf ein gutes Kaufangebot. Ein Schicksal wie bei Atecs dürfte der Telefongesellschaft aber nicht drohen. Der Teilkonzern für Autozulieferer und Maschinenbauer sollte ursprünglich komplett an die Börse kommen. Statt dessen erwarben ihn Bosch und Siemens, die dann etliche Einzelteile weiterveräußerten.

Lange Durststrecke bei Siemens

Die sind heute weit verstreut, und viele der ehemaligen Atecs-Gesellschaften haben harte Zeiten hinter sich. Die Integration bei Siemens und Bosch sei letztlich gelungen, sagt Analyst Drebing, wenngleich die Durststrecke bei Siemens recht lang gewesen sei.

Anderswo ist sie noch immer nicht ganz vorüber, so etwa beim früheren Bereich Dematic. Siemens behielt das Systemgeschäft und verkaufte die Kranbauer, in drei Gesellschaften aufgesplittet, an KKR, einen amerikanischen Investor.

Der musste teilweise stark umstrukturieren, was nach Einschätzung von Mitarbeitern allerdings unter jedem Eigentümer notwendig gewesen wäre; bei der Demag Cranes&Components beispielsweise ging ungefähr jeder zehnte Arbeitsplatz verloren. Die Stimmung nach der Zerschlagung sei sehr schlecht gewesen, heißt es, mittlerweile bessere sie sich aber.

Und so haben sich in vielen ehemaligen Mannesmann-Firmen, wo kurz nach der Zerschlagung Angst und Empörung herrschten, die Wogen geglättet. Eines beklagten die ehemaligen Mannesmänner aber immer noch, sagt Archivleiter Wessel: "Mannesmann war wie eine große Familie. Viele sind noch immer traurig, nicht mehr dazuzugehören."

© SZ vom 3.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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