Mannesmann-Prozess: die Neuauflage:Teil zwei einer unendlichen Geschichte

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Von Donnerstag an rollt das Gericht den Fall Mannesmann komplett neu auf. Diesmal rechnet sich die Staatsanwaltschaft bessere Chancen für eine Verurteilung der prominenten Angeklagten aus als 2004.

Daniela Kuhr

Über Klaus Esser wissen die meisten nur eines: Er ist der Mann, der nach der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone 15 Millionen Euro erhielt, während die Mitarbeiter des Traditionskonzerns um ihre Zukunft bangten.

Während des ersten Mannesmann-Prozesses: Ex-IG-Metall-Chef Klaus Zwickel im Vordergrund sowie Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser (links) und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. (Foto: Foto: ddp)

Deshalb steht sein Name in der Öffentlichkeit als Synonym für maßlose, gierige Manager. Doch es gibt noch andere Seiten des Klaus Esser. Wenn es sein muss, kann er auch romantisch werden. Am 14.Juli 2004 musste es offenbar so gewesen sein. ,,Was ich wollte, liegt zerschlagen. Herr, ich lasse ja das Klagen, und das Herz ist still'', zitierte er den Dichter Joseph von Eichendorff. ,,Nun aber gib auch Kraft zu tragen, was ich nicht will!''

Es war einer der letzten Verhandlungstage im Mannesmann-Prozess, und Esser nutzte sein Recht zu einem Schlusswort. Wie kaum ein anderer der sechs Angeklagten kämpfte er damals vor dem Düsseldorfer Landgericht um seinen Freispruch. Und genau das wird er jetzt wieder tun. Denn von Donnerstag an rollt das Gericht den Fall Mannesmann komplett neu auf.

Millionenprämien

Damit rücken sie wieder in den Blickpunkt: die Millionenprämien, die das Aufsichtsratspräsidium von Mannesmann im Frühjahr 2000 nach der Übernahme durch Vodafone an Führungskräfte und Pensionäre des Konzerns verteilte.

In dem Präsidium saßen der heutige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Joachim Funk, Ex-IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und der Betriebsratsvorsitzende Jürgen Ladberg. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen deshalb schwere Untreue vor. Esser dagegen und sein früherer Direktionsassistent Dietmar Droste sind nur wegen Beihilfe angeklagt.

Freisprüche durch BGH einkassiert

Die Neuauflage des Strafprozesses wurde erforderlich, weil der Bundesgerichtshof (BGH) im vergangenen Dezember die Freisprüche aus dem ersten Prozess aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen hat.

Die Karlsruher Juristen hielten das Urteil des Landgerichts gleich in mehreren Punkten für falsch. Und deshalb beginnt nun alles von vorn - wieder in Düsseldorf, allerdings vor einer anderen Strafkammer.

Für Esser und die anderen Angeklagten bedeutet das, dass sie nun erneut Woche für Woche im Gerichtssaal Platz nehmen müssen. Diesmal allerdings stehen ihre Karten schlechter als beim ersten Mal.

Kein Verständnis

In seinem Revisionsurteil hatte der BGH deutlich gemacht, dass er überhaupt kein Verständnis dafür habe, wie das Aufsichtsratspräsidium mit dem Vermögen von Mannesmann umgegangen ist.

Insgesamt 60 Millionen Euro hatte das Gremium damals großzügig verteilt. Neben Esser kam auch Funk in den Genuss einer Prämie: Drei Millionen Euro erhielt der Aufsichtsratsvorsitzende - angeblich für Verdienste aus seiner früheren Tätigkeit als Vorstandschef.

Die BGH-Richter konnten nicht erkennen, inwiefern diese Zahlungen im Interesse von Mannesmann gelegen haben sollen. Die Angeklagten hätten sich wie Gutsherren benommen, sie seien jedoch nur Gutsverwalter, die fremdes Vermögen betreuen müssten, stellten sie fest.

Kein Anlass für Geschenke

Die Millionenprämie für Esser zum Beispiel sei ein rechtsgrundloses Geschenk gewesen, für das es keinerlei Anlass gegeben habe, da bereits feststand, dass er das Unternehmen nach der Übernahme verlasse, meinten die BGH-Richter. Damit stützten sie die Auffassung der Staatsanwaltschaft.

Doch die Ankläger bleiben vorsichtig. Ergebnisoffen - so gehen sie nach eigenen Angaben in den Prozess. ,,Wir werden uns an keiner der vielfältigen Spekulationen zu einem möglichen Verfahrensausgang beteiligen'', sagt Oberstaatsanwalt Peter Lichtenberg, der gemeinsam mit Dirk Negenborn die Anklage vertreten wird.

Betont unsicher

Es ist ganz offensichtlich: Die aufgeheizte Stimmung aus dem ersten Prozess, als sich Staatsanwälte und Verteidiger häufig angifteten, wollen die Ankläger diesmal vermeiden. Sie tun alles, um die Gegenseite nicht zu provozieren - und geben sich vielleicht auch deshalb betont unsicher über den Ausgang des Verfahrens.

Einerseits stütze das Urteil des Bundesgerichtshofs ,,unsere Rechtsauffassung nachhaltig, dass die Anerkennungsprämien für die Mannesmann AG letztlich nutzlos war'', sagt Lichtenberg, doch andererseits sei die Frage offen, ob man den Angeklagten ihr Verhalten auch vorwerfen könne.

Aus seiner Sicht liegt daher der Schwerpunkt der neuen Hauptverhandlung in dem, was in den Angeklagten vor sich ging, ob sie ,,sich zur Bewilligung der Prämien für berechtigt halten durften und ob ihnen bewusst war, dass diese Zahlungen für die Mannesmann AG ohne Nutzen waren''.

Die Frage der Käuflichkeit

Einen Punkt, der im ersten Strafprozess besonders für Aufregung gesorgt hat, scheint überhaupt niemand mehr ansprechen zu wollen: die Frage der Käuflichkeit von Esser.

Die Staatsanwälte waren damals der Ansicht, dass Essers Prämie den Konzernchef dazu bewegen sollte, der Fusion mit Vodafone zuzustimmen. Beweisen konnten sie das allerdings nicht, und auch keiner der Zeugen wollte sich in dieser Richtung äußern.

Trotzdem beharrten die Ankläger auf dem Vorwurf und trugen ihn immer wieder vor. Das stieß nicht nur bei den Verteidigern auf Unverständnis, auch das Gericht reagierte zunehmend genervt. Im April 2005 sprach das Oberlandesgericht Düsseldorf Esser sogar ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zu, weil die Staatsanwaltschaft durch ihre Öffentlichkeitsarbeit Essers Persönlichkeitsrechte verletzt habe.

Vorsichtige Ankläger

Die Ankläger heute sind deshalb sehr vorsichtig geworden. Inoffiziell sagen sie, dass sie das Problem in diesem Prozess nicht ansprechen wollen. Doch zitieren lässt sich damit niemand. Das Wort ,,Käuflichkeit'' will keiner mehr in den Mund nehmen.

Für Esser bedeutet das eine gewisse Genugtuung. Doch dem 58-Jährigen geht es um mehr: Er ist überzeugt, dass er in den neun Monaten seiner Tätigkeit als Vorstandschef Außergewöhnliches geleistet und die Prämie deshalb verdient hat.

Keine Gelegenheit lässt Esser aus, das kundzutun. Im ersten Prozess ergriff er mit Abstand am häufigsten das Wort. In der Verhandlung vor dem BGH war er der einzige der prominenten Angeklagten, der persönlich erschien und seine Sicht der Dinge darstellte. Und auch im zweiten Prozess, der jetzt beginnt, wird Esser das Geschehen dominieren.

Diverse Beweisanträge

Seine Anwälte haben bereits diverse Beweisanträge angekündigt. Unter anderem wollen sie den ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper, den früheren Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber, Ex-Ruhrgas-Chef Klaus Liesen und den einstigen Staatssekretär Werner Tegtmeier als Zeugen aussagen lassen. Die vier waren früher im Aufsichtsrat von Mannesmann. Auf der vorläufigen Zeugenliste des Gerichts tauchen ihre Namen allerdings bislang nicht auf.

Esser wird kämpfen - um einen Freispruch, aber auch um Anerkennung. ,,Kein Vorwurf kann verletzender sein, als wenn man mir nachsagt, ich hätte nicht loyal für mein Unternehmen, für die Aktionäre und die Arbeitnehmer gearbeitet'', sagte er im ersten Prozess. Ob er das Gericht davon überzeugen kann, wird sich herausstellen. 26 Verhandlungstage bis Ende Februar hat der Vorsitzende Richter Stefan Drees vorerst angesetzt.

© SZ vom 25.10.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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