Mannesmann-Prozess:Die Arroganz der Macht

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Deutsche-Bank-Chef Ackermann ist noch lange nicht verurteilt, aber er hat schon verloren.

Von Hans Leyendecker

Als der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann, aus seinem Frankfurter Büro herabstieg, wo er nahe den Wolken arbeitet, um denen da unten die Welt zu erklären, ging das ziemlich schief.

Sein Satz, Deutschland sei "das einzige Land, wo die Leute, die Werte schaffen, vor Gericht kommen," war eine Herabsetzung des Gerichts, das die Anklage zugelassen hatte. Sein Lächeln drückte Verachtung aus — auch gegenüber denen, die für kleines Geld schuften und Werte schaffen.

Das Victory-Zeichen, das er machte, war obszön und ein Abgrund an Arroganz. Es ist die Arroganz der Macht. So geriet Ackermanns publikumswirksam geplanter Auftritt zum Gau.

Maßstäbe haben wieder Konjunktur

Bei der Suche nach Parallelen bietet sich der Fall seines Vorvorgängers Hilmar Kopper an, der vor knapp zehn Jahren die Nation mit dem Wort "peanuts" in Rage gebracht hat.

Der Bankier hatte unbezahlte Handwerker-Rechnungen des Immobilienpleitiers Schneider über rund 50 Millionen Mark als Kleinkram bezeichnet, die das Geldhaus übernehmen werde. Weil einigen Managern das Gefühl für Größenordnungen und die Wahrnehmung des Unterschieds von rechtens und richtig abhanden gekommen ist, wird jetzt wieder eine Diskussion über Gier und Anstand geführt.

Vor Jahren noch war das öffentliche Bekenntnis zur Gier mehrheitsfähig. An der Börse spielten Konzerne Monopoly und Topmanager wie der frühere Mannesmann-Vorstandsvorsitzende Klaus Esser ließen sich als Popstars der neuen Zeit feiern. Eine Nation spekulierte auf Hausse.

Auch damals schon hatte der Abstand zwischen dem Verdienst eines Top-Managers zu dem eines Arbeiters jede Relation verloren, aber die Gehaltsexzesse waren kein Thema.

Heute beklagen jene Blätter, die ihren Champions einst zujubelten, deren Maßlosigkeit. Maßstäbe, auch moralische, haben ihre Konjunktur. Weil die juristischen Details des Mannesmann-Falles so kompliziert sind, soll die Gier alles erklären.

Das hilft dem Gericht, das sich in den nächsten Monaten mit dem Fall beschäftigen wird, nicht viel weiter. Es geht um schwere Untreue und Beihilfe zur Untreue. Geprüft wird, ob Sitzungsprotokolle gefälscht, manipuliert wurden, damit Esser, sein Team und ehemalige Spitzenmanager von Mannesmann rund 111 Millionen Mark erhielten.

Im Zeugenstand werden Wirtschaftsprüfer ihre Sicht der Abläufe darlegen. Sie hatten zwar interveniert, aber dann war eine Lösung gefunden worden, die scheinbar passte. Untreue setzt jedoch den Vorsatz voraus - darüber wird ernsthaft zu streiten sein.

Piefig und provinziell

Wussten Esser und die anderen, dass ihr Tun unrechtmäßig sein könnte, oder war ihre Wirklichkeit so weit von der Wirklichkeit der anderen entfernt, dass sie sich ungefährdet wähnten? "Leistungsträger" eben, "peanuts", "absolut üblich", "nicht bei Details aufhalten".

Wie wird das Gericht den Paragrafen 87 des Aktiengesetzes auslegen? Er verlangt, dass die Bezüge eines Vorstandes "in angemessenem Verhältnis zu den Aufgaben" und "zur Lage der Gesellschaft stehen müssen." Im Zivilrecht lässt sich darüber trefflich streiten, doch was bedeutet "angemessen" in einem Strafprozess?

Es ist noch zu früh, darüber zu befinden, ob das Gericht dem Verfahren gewachsen ist. Aber an den beiden ersten Tagen hat die Vorsitzende Richterin eine gute Figur gemacht. Sie ist nicht laut, aber sie wirkt lauter und souverän.

Die Kammer wird nicht Markt und Moral wieder zusammenbringen, aber das Verfahren könnte zumindest zeigen, dass es bei den Vorstandsgehältern Transparenz geben muss. Die Eigentümer, die Aktionäre, müssen gefragt werden; es darf keine Kungelrunden im Aufsichtsrat geben.

Gerechtigkeit ist nicht nur ein Wort. Die da oben und die da unten leben nicht auf verschiedenen Galaxien. Wenn ein Angeklagter wie Ackermann mit der Geste des Imperators auftritt, der allen bedeutet, wie piefig und provinziell sie unter ihm sind, kann es mit der neuen Deutschland AG nichts werden.

© SZ vom 23.01.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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