Manchester United:Ein Musterfall für Unternehmer weltweit

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Kann man einen Fußballklub einfach zum Familienunternehmen erklären und wie einen Waschmittel-Hersteller führen? Wie das gehen könnte, demonstriert derzeit der US-Milliardär Malcolm Glazer.

Gerd Zitzelsberger

Bei Manchester United will der Investor Malcom Glazer zeigen, dass sich ein Klub wie eine gewöhnliche Firma managen lässt

Das Stadion Old Trafford - für Fußballfans weltweit ein mythenbehafteter Begriff. (Foto: Foto: AP)

Kann man einen Fußballklub einfach zum Familienunternehmen erklären und wie einen Waschmittel-Hersteller führen? Noch dazu, wenn es nicht um irgendeinen Klub geht, sondern um Manchester United.

"Nie", schallte es dem amerikanischen Milliardär Malcolm Glazer vieltausendfach von den Fans entgegen, als der im Frühjahr 2003 mit Hilfe von Hedge-Fonds bei "ManU" einstieg, nach und nach seinen Anteil ausweitete und den Klub 2005 sogar von der Börse nahm. "Doch, man sollte das sogar", beharrt Glazer. Seine Söhne sitzen im Vorstand.

Gute Karten

Noch ist die Sache nicht entschieden. Doch der 78-jährige Glazer hat bessere Karten, als es die "Traditionalisten" wahrhaben wollen. Auf die eine oder andere Weise wird Glazer "ManU" zum Musterfall für Unternehmer in aller Welt machen.

ManU ist die populärste Fußballmannschaft der Welt. Auf 75 Millionen schätzt die Beratungsgesellschaft Deloitte die Zahl der Anhänger. Damit kann selbst der Mythos Real Madrid nicht mithalten. Für viele von ihnen ist ManU eine Art Religion: Sie sind dem Klub treuer als dem Ehepartner, und sie sparen am Brot, um Eintrittskarten und T-Shirts zu erstehen.

Als Glazer anrückte, drohten Tausende Fans mit Boykott, etliche Spieler und Manager sogar mit Kündigung. Manche ManU-Fans versuchten in letzter Minute, Aktien zu kaufen. Ein Gegen-Verein wurde gegründet, andere Opponenten fanden sich in einer Stiftung zusammen und harren so des Endes der Glazer-Ära. Die Fans fürchteten eine Kommerzialisierung des Sports, das Herunterwirtschaften des Klubs, und sie fühlen sich gewissermaßen enteignet.

Gestaltende Kraft

In Wirklichkeit aber sind die Fans schon lange nicht mehr die gestaltende Kraft bei ManU. Bereits 1991 hatte sich der Fußballverein in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und war an die Börse gegangen.

Seitdem wird er mehr oder weniger wie ein ganz normales Unternehmen geführt. So klebte das Management den Markennamen Manchester United auf immer mehr Dienstleistungen und Produkte: Das Firmenlogo prangt auf T-Shirts, Kreditkarten oder der Wanduhr für 180 Euro.

Selbst mit der Asche der Fans macht man in Old Trafford noch ein Geld. Dort, am Stadtrand von Manchester, steht die Kathedrale der ManU-Gemeinde - eines der größten Stadien der Welt. Listenpreise für das Urnengrab unter dem Rasen von Old Trafford gibt es nicht.

Geldhunger

Damals, als sich der Fußballverein in ein Unternehmen umwandelte und die Kommerzialisierung im großen Stil begann, hatte es - ganz anders als bei der Glazer-Übernahme - keine großen Proteste gegeben: Der Klub brauchte Geld, denn aus Mitgliedsbeiträgen waren die hohen Kosten für Einkäufe neuer Spieler nicht zu finanzieren.

Und der sportliche Erfolg rangierte für die ManU-Fans vor der Heimeligkeit eines Vereins. Das Geld aus dem Börsengang, aber auch die effizienteren Entscheidungsstrukturen einer Aktiengesellschaft und die Kommerzialisierung taten dem Klub gut: Acht mal gewann ManU in der Zeit als börsennotierte Gesellschaft die englische Meisterschaft und 1999 holten die roten Teufel auch noch den englischen Cup und die europäische Meisterschaft.

Auch die Loyalität der Fans litt keineswegs unter der Umwandlung. Mehr als acht Jahre lang führte ManU als umsatzstärkster Klub der Welt die "Deloitte-Liga" an. Per saldo konnten sogar die Aktionäre - ganz anders als bei der Konkurrenz - mehr als zufrieden sein.

Plötzlich hochverschuldet

Mit der Glazer-Übernahme schien die Blüte jäh zu enden: Beinahe 1,5 Milliarden Euro hatte die Glazer-Familie bezahlt, und fast eine Milliarde davon war fremdes Geld. Ein großer Teil davon landete in den Büchern des Klubs und der war damit plötzlich hochverschuldet.

Fans machten ihre Boykott-Drohung wahr. Vor allem die sportlichen Erfolge ließen nach. Der Londoner FC Chelsea stellte die roten Teufel in den Schatten, weil der russische Öl-Magnat Roman Abramowitsch Geld im Überfluss in seinen FC Chelsea pumpte.

Und in der Champions League, der europäischen Königsklasse, schied ManU in der vergangenen Saison frühzeitig aus. Zudem kündigte Vodafone den Sponsoren-Vertrag. Jetzt werden Spieler ausgeliehen und 20 Manager mussten gehen.

Es kommen andere

Doch ManU ist viel zu beliebt bei den Fans, als dass der Niedergang besiegelt wäre: Tausende boykottierten zwar Old Trafford. Doch dafür kommen andere. Die 42.000 Dauerkarten für die nächste Saison sind schon seit Wochen wieder vergriffen.

Vor allem aber ist Glazer ein Coup gelungen, der ihm plötzlich Respekt verschafft hat: Neuer Trikot-Sponsor ist der US-Versicherungskonzern AIG, und der bezahlt noch erheblich mehr als bislang Vodafone.

AIG kennt in Europa zwar kaum jemand. Aber für die Versicherung - und Glazer - rücken andere Fans (und Märkte) stärker nach vorne: Asien und Amerika.

Anhängerschaften fest verteilt

In Europa, so Glazers Kalkül, sind die Anhängerschaften schon fest verteilt. Selbst wenn ManU in England ein paar Fans verliert, ist dies ein Klacks im Vergleich zu den Chancen in anderen Teilen der Welt.

Doch es sieht gar nicht so aus, als hätte Glazer die alten Fans auf Dauer verprellt. Einer von ihnen ist Rolf Locher, im bürgerlichen Leben ein bedächtiger Banker und gleichzeitig Kassierer bei der Schweizer Fan-Organisation Swiss Devils. Anfangs war er im Lager der Glazer-Gegner, aber inzwischen reist er wieder zu den ManU-Spielen.

"Glazer ist bei der internationalen Vermarktung einfach besser; langfristig wird er Erfolg haben", sagt Locher. Es kommt ihm nicht darauf an, wem der Klub gehört und wie viel Gewinn sein Besitzer vereinnahmt - solange die Mannschaft nur gut spielt.

© SZ vom 10.05.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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