Managergehälter:"Chefetagen dürfen keine Kuschelecken sein"

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Bundesjustizministerin Brigitte Zypries über Gehaltsexzesse, ehrbare Kaufleute - und die Verantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat.

D. Kuhr

Gehaltsexzesse in Vorstandsetagen soll es nach dem Willen der Koalition nicht mehr geben. An diesem Donnerstag trifft sich die zuständige Arbeitsgruppe ein letztes Mal, bevor am 4. März der Koalitionsausschuss abschließend über neue Regeln für Vorstandsbezüge berät. Ziel sei "ein Umdenken bei den Managern", sagt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). "Ich vermisse das Bewusstsein eines ehrbaren Kaufmanns."

Justizministerin Zypries: "Im Einzelfall kann auch mal ein außergewöhnlich hohes Gehalt gerechtfertigt sein." (Foto: Foto: ddp)

SZ: Frau Zypries, die Wirtschaft ist nicht gerade erfreut über den Plan, Managergehälter gesetzlich zu regeln. Warum brauchen wir neue Vorschriften?

Zypries: Wir wollen die Gehälter nicht nach oben begrenzen. Es geht lediglich darum, das Verfahren, in dem die Gehälter festgelegt werden, transparenter zu gestalten und mit Hilfe einiger Vorgaben zu verhindern, dass es erneut zu einem solch massiven Anstieg der Gehälter kommt. Es waren vor allem falsche Vergütungsanreize, die zu einer viel zu hohen Risikobereitschaft geführt haben.

SZ: Warum mischt sich der Staat überhaupt ein, wenn ein privates Unternehmen seinem Vorstand ein Millionengehalt zahlt? Das ist doch kein Steuergeld.

Zypries: Nein, natürlich nicht. Exzessive Gehälter sind ein Problem, mit dem sich in erster Linie die Aktionäre, also die Eigentümer eines Unternehmens befassen müssen. Unser Ziel ist es, ihnen die nötigen Informationen zu verschaffen. Nur wenn die Aktionäre wissen, wer warum wie viel Geld erhält, können sie die Angemessenheit des Gehalts auch mal in Frage stellen. Deshalb sieht der Vorschlag der Koalitionsarbeitsgruppe vor, dass in Zukunft immer der gesamte Aufsichtsrat die Bezüge des Vorstands festlegen muss und nicht mehr nur ein kleines Gremium, wie etwa der Personalausschuss, darüber entscheidet.

SZ: Und damit gehören dann Millionengehälter der Vergangenheit an?

Zypries: Nein. Aber das ist auch gar nicht das Ziel, schließlich handeln wir nicht, um etwaigen Neidgefühlen zu begegnen. Im Einzelfall kann auch mal ein außergewöhnlich hohes Gehalt gerechtfertigt sein, wenn die Leistung des Managers stimmt.

SZ: Was ist denn dann das Ziel?

Zypries: Mir geht es darum, die Manager zu einem Umdenken hin zu einer modernen Wirtschaftsethik zu bewegen. Ich habe den Eindruck, dass manche Vorstände sich nur so lange für das Unternehmen verantwortlich fühlen, wie sie in ihm beschäftigt sind, während für sie die langfristige Entwicklung des Konzerns allenfalls zweitrangig ist. Darin sehe ich auch den Unterschied zu eigentümergeführten Betrieben. Gerade mittelständische Unternehmer übernehmen ganz selbstverständlich Verantwortung für ihre Mitarbeiter und für einen dauerhaften Erfolg des Betriebs, den sie eines Tages an die nächste Generation übergeben wollen. Manager einer Aktiengesellschaft denken dagegen zu häufig nur an den nächsten Quartalsgewinn und den Aktienkurs am Jahresende. Ich vermisse hier das Bewusstsein eines ehrbaren Kaufmanns. Wir brauchen mehr soziale Verantwortung.

SZ: Wie wollen Sie das erreichen?

Zypries: Wir müssen Vorstand und Aufsichtsrat an ihre Verantwortung für das Wohl des Unternehmens erinnern und langfristiges Handeln fördern. Nach unserem Vorschlag sollen etwa Aktienoptionen erst nach einer Wartefrist von vier Jahren realisierbar sein und nicht wie derzeit bereits nach zwei Jahren. Bislang sieht das Aktiengesetz zudem nur vor, dass die Vergütung des Vorstands angemessen sein muss. Wir wollen das konkreter fassen. Das Gehalt muss in einem angemessenen Verhältnis zu den Leistungen des Vorstands, der Lage des Unternehmens und der branchen- oder landesüblichen Vergütung stehen. Dafür ist der Aufsichtsrat verantwortlich, der im Zweifelsfall auch dafür haftet.

SZ: Vor allem die Verpflichtung auf das Unternehmenswohl erntet Kritik.

Zypries: Ja, und ich muss sagen, dass ich das nicht verstehe. Jeder weiß doch, dass es sich für ein Unternehmen auszahlt, wenn es sich langfristig gut positioniert und nicht nur am schnellen Erfolg interessiert ist. Das ist eine der Lehren, die wir aus der Finanzmarktkrise ziehen müssen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie viel Ministerin Zypries im Monat verdient.

SZ: Streit gibt es aber darüber, ob Vorstandsgehälter nur beschränkt absetzbar sein sollen. Die SPD ist dafür, die Union nicht. Kommen Sie da noch zusammen?

Zypries: Ich hoffe sehr, dass wir uns bei dem Treffen an diesem Donnerstag mit der Union auch in diesem Punkt einigen. Wir haben jedenfalls lange genug darüber diskutiert. Anders als die Union meint, wäre es rechtlich möglich, den Abzug zu begrenzen. Bei den Gehältern der Aufsichtsräte ist das schließlich seit Jahren geltendes Recht.

SZ: In der Wirtschaft heißt es oft, die deutschen Gehälter seien im internationalen Vergleich eher niedrig. Eine weitere Begrenzung könne eine Abwanderung zur Folge haben.

Zypries: Diese Gefahr sehe ich nicht. Nach einer Untersuchung ist die Vorstandsvergütung im Dax 30 in den vergangenen 20 Jahren um 445 Prozent gestiegen, und die Vorstände der 100 größten deutschen Konzerne verdienen jährlich im Schnitt 1,8 Millionen Euro.

SZ: Die Manager rechtfertigen ihre Millionengehälter mit dem hohen Risiko, dem sie angeblich ausgesetzt sind.

Zypries: Da bin ich anderer Auffassung. Bislang mussten sie nicht mal ernsthaft befürchten, bei Fehlverhalten verklagt zu werden. Wir haben zwar gute gesetzliche Haftungsregeln, aber sie wurden zu wenig angewandt. Mit Siemens haben wir jetzt den ersten großen Fall, in dem ein neuer Vorstand und ein neuer Aufsichtsrat gegen den alten Vorstand und den alten Aufsichtsrat vorgehen. Ich hoffe, dass damit ein Kulturwandel in der Wirtschaft einsetzt. Aufsichtsräte müssen ihre Kontrollfunktion ernst nehmen. Chefetagen dürfen keine Kuschelecken sein, wo keiner dem anderen weh tun will.

SZ: Wie viel Geld verdienen Sie persönlich eigentlich?

Zypries: Brutto bekomme ich als Ministerin knapp 12.000 Euro, netto etwas mehr als 8000 Euro.

SZ: Im Vergleich zu Managern ist das ja nicht gerade viel. Leisten die Vorstände so viel mehr als Sie?

Zypries: Als Minister tragen wir jedenfalls genauso viel Verantwortung und arbeiten sicher auch nicht weniger.

© SZ vom 29.01.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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