Mannesmann-Prozess:Justitias Schwäche

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Die Vorsitzende Richterin Brigitte Koppenhöfer hat sich im Mannesmann-Prozess mit der frühen Darlegung ihrer Rechtsposition weit aus dem Fenster gelehnt und damit ungewollt in den Vordergrund gespielt.

Von Michael Kläsgen

Brigitte Koppenhöfer hat es geschafft, im Mannesmann-Prozess unversehens zur zentralen Figur zu werden. Die Blicke richten sich nunmehr nicht nur auf die prominenten Angeklagten, sondern auf die Vorsitzende Richterin selber.

Ende März hatte Koppenhöfer in einem "Rechtsgespräch" erklärt, alle der Untreue Angeklagten, darunter Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser und Ex-IG-Metall-Vorsitzender Klaus Zwickel, nach gegenwärtigem Stand der Dinge freisprechen zu wollen.

Objektiv hatte es keinen Anlass dazu gegeben, sich derart weit aus dem Fenster zu lehnen. Die Beweisaufnahme hatte weder wesentlich Entlastendes noch Belastendes zutage gefördert.

Infolge dieser Zwischenbilanz überhäufen die Ankläger Koppenhöfer nun mit Beweisanträgen. Sie sind auf der Suche nach Revisionsgründen. Koppenhöfer gerät dadurch in die missliche Lage, dass ihr auch nur der kleinste Fehler als Befangenheit angelastet werden könnte.

Wie die Richterin beabsichtigt, aus dieser Bredouille wieder herauszukommen, wird sich im Laufe dieser Woche zeigen. Koppenhöfer hat angekündigt, am Donnerstag zu einigen Beweisanträgen der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen.

In den ersten Wochen hatte die Richterin den Prozess, bei dem es um die mutmaßliche Veruntreuung von 111,5 Millionen DM geht, souverän geführt. Anerkennung fand vor allem, dass sie Verteidiger und Ankläger gleichermaßen abwatschte und sich auf keine taktischen Spielereien einließ. Noch vor Beginn des Prozesses hatten ihr viele nicht zugetraut, gegen das teilweise hochkarätige Aufgebot an Verteidigern zu bestehen.

Charmeoffensive

Die 52-Jährige war viele Jahre lang Jugendrichterin in Neuss bei Düsseldorf gewesen und als solche vornehmlich mit Delikten wie Fahrraddiebstahl und ähnlichem befasst. Der Mannesmann-Prozess vor dem Düsseldorfer Landgericht gilt aber als "spektakulärstes Wirtschaftsstrafverfahren Deutschlands".

Während des Prozesses fiel jedoch auf, dass Koppenhöfer zunehmend von den drei in der Tat spröden Staatsanwälten genervt wirkte. Dagegen hatte sie zum Beispiel für Esser-Verteidiger Sven Thomas immer ein Lächeln übrig. Thomas, rhetorisch gewandt und mit sonorer Stimme, geizte seinerseits nicht damit, auch vor Gericht seinen Charme spielen zu lassen.

Eine der Schlüsselszenen diesbezüglich spielte sich bei der Zeugenvernehmung von Ex-Vodafone-Chef Chris Gent ab. Staatsanwalt Johannes Puls fragte Gent unvermittelt, wann er mit welchem Flugzeug nach Düsseldorf geflogen sei. Gent wollte von der Richterin wissen, was denn diese Frage solle, und Koppenhöfer antwortete: Ja, hier würden tatsächlich häufig Fragen gestellt, die kaum nachvollziehbar seien.

Eine Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft. Und Rechtsanwalt Thomas setzte noch eins drauf: Vielleicht wollen die drei Ankläger ja auch noch wissen, ob Gent Kaffee oder Tee getrunken hat, feixte er. Gelächter im Saal. Erst Verhandlungstage später stellte sich heraus, dass Puls so fragte, weil er nachweisen wollte, dass Gent zu dem Zeitpunkt, den er vorgab, gar nicht in Düsseldorf gewesen sein konnte.

Vor Prozessbeginn soll Koppenhöfer befürchtet haben, alles nur falsch machen zu können, egal, welches Urteil sie fällt. Verurteilt sie die Angeklagten, würde es heißen, die Justiz schädige den Standort Deutschland.

Und bei einem Freispruch hieße der Vorwurf: Die Großen lässt man laufen. In ihrer Zwischenbilanz kam sie zu dem Ergebnis, dass zwar gegen das Aktienrecht verstoßen worden sei, aber die Angeklagten schuldlos gehandelt hätten. Vielleicht wollte sie es so allen recht machen. Wenn ja, vergeblich.

© SZ vom 28.04.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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