Magere Zeiten:Berater gefragt

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Seit der Reform des Insolvenzrechts werden die Kanzleien oft schon tätig, bevor eine Firma einen Antrag auf Insolvenz gestellt hat.

Von Felicitas Wilke

In Deutschland müssen immer weniger Unternehmen Insolvenz anmelden. Waren es im Jahr 2009 noch 32 687 Betriebe, ging die Zahl seitdem Jahr für Jahr zurück: Im vergangenen Jahr schlitterten nur noch 20 093 Firmen in die Pleite. Das liegt an der guten Konjunktur, aber auch daran, dass sich kriselnde Firmen wegen der niedrigen Zinsen billiger Geld leihen und damit über Wasser halten können. Für Insolvenzverwalter bedeuten wirtschaftlich gute Zeiten also eher magere Zeiten.

Die ganze Branche spürt diese Entwicklung. Einige ältere Kollegen hätten sich wegen der schlechten Auftragslage dazu entschieden, früher in den Ruhestand zu gehen, sagt Axel Bierbach, Insolvenzverwalter aus München und Vorstandsmitglied beim Verband Insolvenzverwalter Deutschlands (VID). Andere bewerben sich bei mehreren Amtsgerichten im Land um Aufträge und nehmen dafür auch längere Reisen in Kauf. Oder sie bieten zusätzliche Dienstleistungen an. "Viele Kollegen beraten inzwischen auch Gläubiger oder Schuldner und beraten wie Unternehmensberater bei Sanierungsmaßnahmen vor der Insolvenz", sagt Bierbach. Als Berater von kriselnden Firmen schreiten die Insolvenzverwalter bereits ein, bevor ein Insolvenzantrag gestellt werden muss.

Auch Bettina Breitenbücher ist inzwischen nicht mehr nur als Insolvenzverwalterin im klassischen Sinne tätig. Sie nimmt zunehmend Restrukturierungsmandate an und berät Unternehmen, die den Weg in die sogenannte Insolvenz in Eigenverwaltung gehen. Dieses Konstrukt hat die damalige Bundesregierung im Jahr 2012 vorangetrieben, um kriselnden Unternehmen die Sanierung zu erleichtern. Dabei übernimmt nicht der Insolvenzverwalter die Geschäfte, sondern die alte Geschäftsführung bleibt im Amt und wird von einem Sachwalter überwacht und von Restrukturierungsexperten beraten. Breitenbücher übernahm etwa beim Modehändler Pohland diese beratende Rolle und beschloss gemeinsam mit der Geschäftsführung, unrentable Filialen zu schließen und den Einkauf umzugestalten. "Als Insolvenzverwalterin bin ich der Boss und gebe klare Anweisungen", sagt sie. Bei einer Restrukturierung hingegen werde sie nicht vom Gericht, sondern vom Geschäftsführer beauftragt. "In diesem Fall wird viel mehr diskutiert, zum Beispiel mit den Führungskräften und Steuerberatern." Weitere Beispiele für eine Insolvenz in Eigenverwaltung sind der Erotikhändler Beate Uhse und der Handschuhhersteller Roeckl.

Ein solches Verfahren bietet sich vor allem auch für Unternehmen an, die wegen externer Einflüsse in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind - zum Beispiel, weil ein wichtiger Kunde seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Da ein Unternehmen seine Mitarbeiter bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung leichter kündigen kann als im Regelbetrieb, haben Gewerkschaften in der Vergangenheit allerdings auch schon Bedenken geäußert, dass hinter dem Prozedere das Kalkül stecken könne, sich auf einfache Weise von einem Teil der Belegschaft zu trennen und danach den Geschäftsbetrieb fortzusetzen.

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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