Mäzene:Kultur des Gebens

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Zum Besten der Stadt: Das von Johann Friedrich Städel gestiftete Museum nimmt diesen Auftrag ernst und investiert viel Zeit und Geld in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Die Frankfurter spenden gern für Kunst und Soziales. Die Tradition stammt aus dem 18. Jahrhundert, als der Arzt Johann Senckenberg eine Stiftung für Fürsorge und Bildung errichtete.

Von Sandra Danicke

Frankfurt ist die hilfreichste Stadt Deutschlands", schrieb der Schriftsteller Karl Julius Weber nach einem Besuch am Main im Jahr 1826. "Ein Senckenberg verwendete sein ganzes Vermögen auf die Erbauung eines Krankenhauses. Hier in Frankfurt gilt nicht das sonst wahre Sprichwort: Nur der Arme hilft dem Armen. Hier sind die Reichen zu Wohltätern geworden."

Tatsächlich hat das Engagement betuchter Bürger für Kunst, Kultur und Soziales in Frankfurt eine lange, stark ausgeprägte Tradition. Bereits 1763 errichtete der Arzt und Naturforscher Johann Christian Senckenberg eine dem Gemeinwohl verpflichtete Stiftung in den Bereichen Sozialfürsorge, Bildung und Wissenschaft - eine Initiative, die etwas ins Rollen brachte. Diverse Bürger-Organisationen kümmerten sich jetzt um kulturelle und wissenschaftliche Aufgaben. Mit der Städelschen Stiftung wurde 1815 schließlich der Prototyp der modernen Kulturstiftung geschaffen. Der kinderlose Bankier Johann Friedrich Städel hatte den Bürgern Frankfurts seine Kunstsammlung und sein Vermögen vermacht. Testamentarisch verfügte er die Stiftung eines Kunstinstituts, das "zum Besten hiesiger Stadt und Bürgerschaft" eine öffentliche Kunstsammlung und Kunsthochschule vereinen sollte. Damit legte er den Grundstein für eines der renommiertesten Museen in Deutschland.

Es waren aber nicht ausschließlich Stiftungen, in denen sich die Herausbildung eines neuen sozialen und kulturellen Bewusstseins reicher Bürger manifestierte. 1868 gründete etwa der Gartenarchitekt Heinrich Siesmayer mit mehreren Mitstreitern eine Aktiengesellschaft, um exotische Pflanzen zu erwerben und damit den Frankfurter Palmengarten zu gründen. Und der Bau des Eisernen Stegs 1868/69 wurde nur durch einen von Bürgern gegründeten Verein möglich.

Anfang des 20. Jahrhunderts schließlich wurde eine Reihe von Museumsvereinen eingerichtet, die die Mäzene an die jeweiligen Häuser binden sollten. Einer von ihnen war der jüdische Kaufmann und Sammler Martin Flersheim (1856 - 1935). Er saß im Verwaltungsrat des Frankfurter Kunstvereins und war Vorstandsmitglied im Städelschen Museumsverein. Durch ihn kamen Carl Spitzwegs "Der Einsiedler vor der Klause" und der "Geiger am Fenster" von Otto Scholderer ins Museum. Etwa ein Drittel des heute gezeigten Sammlungsbestandes des Städel Museums geht auf private Schenkungen zurück.

Durch die beiden Weltkriege, Inflationen, Wirtschaftskrisen, vor allem auch durch das Regime der Nationalsozialisten kam dieses Engagement für mehr als 30 Jahre weitgehend zum Erliegen. Wenngleich es auch während der NS-Zeit Sammler gab, die damals das Fundament für beachtliche Kunststiftungen nach 1945 gelegt haben. Der Unternehmer Georg Hartmann etwa hatte seit 1910 nicht nur eine Sammlung mittelalterlicher und barocker Skulpturen aufgebaut, von denen heute einige im Liebieghaus zu sehen sind. 1941 versorgte er auch heimlich den Frankfurter Maler Max Beckmann mit Aufträgen und erwarb diverse, damals zeitgenössische Werke, die er nach dem Krieg dem Städel Museum stiftete, etwa eine Bronzeplastik von Auguste Rodin. Auch der Chemiker Carl Hagemann setzte sich für verfemte Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner oder Karl Schmidt-Rottluff ein. Nach Hagemanns Tod 1940 wurde seine Sammlung im Städel vom damaligen Direktor Ernst Holzinger versteckt - ein riskantes Unterfangen. So überstanden die Werke den Krieg unbeschadet. Ein Teil davon wurde später dem Museum vermacht.

Es dauerte jedoch, bis die Tradition des Mäzenatentums in Frankfurt wieder richtig aufblühte, zumal vor allem jüdische Stifter in großer Zahl aus dem Land getrieben oder ermordet worden waren.

Eine neue Ära des bürgerlichen Mäzenatentums bildete sich in den Neunzigerjahren heraus, als die Stadt begann, sich aus der Finanzierung der Kulturinstitute zurückzuziehen. Nahezu alle Museen in Frankfurt werden heute in einem Umfang von Unternehmen und Privatpersonen unterstützt, von dem Städte wie Hamburg nur träumen können.

Keinerlei städtische Unterstützung erhält das 2000 eröffnete Museum Giersch, in dem Wechselausstellungen zur Kunst- und Kulturgeschichte des Rhein-Main-Gebiets präsentiert werden. Es wird vollständig vom Frankfurter Stifterehepaar Karin und Carlo Giersch finanziert, die 2009 für ihr Engagement mit dem Deutschen Stifterpreis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen ausgezeichnet wurden.

Als besonders geschickt im Einwerben von Drittmitteln gilt der ehemalige Direktor von Schirn Kunsthalle, Liebieghaus und Städel Museum, Max Hollein. Allein für den 2012 eröffneten Erweiterungsbau des Städels kamen 26 Millionen Euro von Privatleuten. All jene, die jährlich 25 000 Euro für die Erweiterung der Sammlung spenden, werden in das "Städelkomitee 21. Jahrhundert" aufgenommen. Gegründet wurde es von Sylvia von Metzler. Die Bankiersfrau leitet auch den Städelschen Museums-Verein mit mehr als 7000 Mitgliedern. Dabei handele es sich um eine Familientradition, erzählte die Mäzenin einmal. Bereits 1899, als der Städelsche Museums-Verein gegründet wurde, sei ein Metzler im Vorstand gewesen. Zugleich ist sie selbst - zusammen mit ihrem Mann Friedrich von Metzler - die größte finanzielle Unterstützerin des Hauses.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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