Machtkampf um Stabilitätspakt:EU-Kommission verklagt die Finanzminister

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Neue Eskalation im Machtkampf um die Kontrolle des Euro: Die EU-Kommission hat nach ihrer kürzlichen Niederlage bei der Auslegung des Stabilitätspakts beschlossen, die nationalen Finanzminister vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen.

Von Alexander Hagelüken

Der Beschluss der EU-Kommission fiel nach einer kontroversen Diskussion in dem 20-köpfigen Gremium. Mehrere Kommissare waren gegen einen Gang zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, weil dies die Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten weiter erschwere.

Befürworter der Klage: Kommissionspräsident Romano Prodi. (Foto: Foto: dpa)

So fürchtet der deutsche Erweiterungskommissar Günter Verheugen eine unnötige Verschärfung der Situation in der EU: "Es geht bei dem Streit um eine politische, nicht um eine Rechtsfrage."

Kommissionspräsident Romano Prodi und Währungskommissar Pedro Solbes machen sich dagegen seit längerem für eine Klage stark.

Schwere Niederlage

Ende November hatte die Brüsseler Kommission bei der Auslegung des Stabilitätspakts eine schwere Niederlage erlitten.

Die Mehrheit der EU-Finanzminister lehnte in einer Kampfabstimmung härtere Sparauflagen für Deutschland und Frankreich ab, obwohl beide Staaten dieses Jahr zum dritten Mal hintereinander ein Defizit von mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung vorlegen.

Die Stellung der Kommission als Wächter über die nationale Haushaltspolitik der Euro-Mitglieder wurde dadurch deutlich geschwächt.

Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten glaubt, dass weitere Einsparungen die Konjunktur in Deutschland und Frankreich und damit in ganz Europa weiter verschlechtern würden. Die EU-Kommission befürchtet dagegen negative Folgen für die Glaubwürdigkeit des Euro, wenn die beiden größten Mitgliedsstaaten sich nicht an die Defizitregeln halten.

Vorschlag abgelehnt

Nach Ansicht von Währungskommissar Solbes haben die Finanzminister im November europäisches Recht gebrochen, als sie den Vorschlag der Kommission für härtere Sparauflagen ablehnten und eine eigene Vorlage beschlossen, wonach Deutschland und Frankreich lediglich 2005 das Drei-Prozent-Kriterium einhalten müssen.

Dies hätten sie nach Solbes Meinung nicht tun dürfen, da die Kommission auf europäischer Ebene das Monopol für Gesetzesinitiativen besitzt. Ein Sieg der Kommission in Luxemburg würde aber nicht automatisch zu Sparauflagen für Deutschland und Frankreich führen.

Die Mitgliedsstaaten lehnen eine Brüsseler Klage zumeist strikt ab. "Eine juristische Auseinandersetzung bringt uns nicht weiter", hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bereits nach der Entscheidung der Finanzminister betont.

"Selbst ins Unrecht gesetzt"

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) räumt der Klage keine Aussichten ein. Nach Ansicht seiner Juristen hat sich die EU-Kommission selbst ins Unrecht gesetzt, da sie sich nach ihrer Abstimmungsniederlage geweigert habe, einen neuen Vorschlag zur Behandlung Deutschland und Frankreichs zu machen.

Auch die österreichische Regierung, die im November für den Vorschlag der Kommission votiert hatte, sprach sich gegen einen Rechtsstreit aus. "Ich halte nichts von einer Klage, weil ich glaube, dies ist das falsche politische Instrument", sagte der Wiener Finanzminister Karl-Heinz-Grasser.

Gegen eine Klage votierte auch der Präsident des Europaparlaments, Pat Cox. Wie er forderte die Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Parlaments, Christa Randzio-Plath (SPD), statt dessen eine Reform des Stabilitätspakts.

"Hinter Potenzial"

"Ein buchstäbliches Einhalten des Pakts würde zu einem weiteren Zurückbleiben Europas hinter seinem Potenzial führen", sagte Randzio-Plath. "Geboten wäre dagegen eine Weiterentwicklung des Pakts, so dass er zu einer Stabilisierung der europäischen Wirtschaft beiträgt".

Die grüne Finanzexpertin Christine Scheel räumte der Klage keine Chancen ein. Die Union forderte den Rücktritt Eichels. "Dies bestätigt endgültig, dass sein Verbleiben im Amt untragbar ist", sagte der Abgeordnete Dietrich Austermann (CDU).

© SZ vom 13.01.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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