Machtkampf bei Siemens:Aufsichtsrat sucht neuen Siemens-Chef

Lesezeit: 2 min

Einflussreiche Aufsichtsräte suchen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung nach einer Alternative für die Konzernspitze. Im Gespräch sind der Linde-Chef Reitzle und der ehemalige VW-Sanierer Bernhard. Kleinfeld gibt sich unterdessen kämpferisch.

usc, mbal, o.k.

Einen völligen personellen Neuanfang betreiben im Siemens-Aufsichtsrat offenbar vor allem der designierte Aufsichtsratschef Gerhard Cromme und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Die Suche nach einem Ersatz für Kleinfeld laufe bereits, erfuhr die SZ aus Konzernkreisen, die damit einen Bericht der Financial Times Deutschland bestätigten.

Schon am Wochenende hätten Ackermann und Cromme dem Linde-Chef die Siemens-Spitzenposition angeboten, hieß es. Zwar ließ der Wunschkandidat am Dienstag offiziell dementieren. ,,Herr Reitzle wird weiter bei Linde bleiben'', erklärte ein Linde-Sprecher.

Kleinfeld will es auf Eklat ankommen lassen

Aus Konzernkreisen hieß es jedoch, das letzte Wort sei in dieser Sache noch nicht gesprochen. Als weiterer Kandidat für den Siemens-Chefposten gilt der frühere Spitzenmanager von DaimlerChrysler und Volkswagen, Wolfgang Bernhard.

Ursprünglich sollte der Ausichtsrat an diesem Mittwoch über die Vertragsverlängerung von Kleinfeld beraten. So hatte es der Präsidialausschuss vorige Woche beschlossen. Nach der Rücktrittsankündigung von Aufsichtsratschef Pierer am Donnerstag werde man das Thema von der Tagesordnung nehmen, hieß es.

Kleinfeld war am Dienstagnachmittag entschlossen, um sein Amt zu kämpfen. Er werde den Skeptikern im Aufsichtsrat die Stirn bieten und es im Ernstfall auf einen Eklat ankommen lassen, hieß es.

,,Jede Verzögerung wäre eine dramatische Belastung für Siemens als Ganzes und würde nicht nur am Kapitalmarkt für Unruhe sorgen'', sagte ein Siemens-Kenner der Nachrichtenagentur Reuters.

Im Aufsichtsrat wird nach SZ-Informationen seit Pierers Rücktritt darüber diskutiert, ob angesichts der Schmiergeldaffäre nicht ein völliger personeller Neuanfang nötig sei. Die Vorbehalte im Siemens-Aufsichtsrat gegen Kleinfeld seien in den vergangenen Tagen gewachsen, hieß es. Der Aktienkurs von Siemens brach aufgrund der Berichte über Kleinfelds mögliche Ablösung am Dienstag um zeitweise mehr als drei Prozent ein.

Nach Angaben aus Konzernkreisen hatte die US-Börsenaufsicht SEC zuletzt den Druck auf das Unternehmen erhöht, personelle Konsequenzen aus der Schmiergeldaffäre zu ziehen; andernfalls werde man den Konzern noch genauer durchleuchten.

Die einflussreiche Behörde beobachtet Siemens seit Monaten intensiv. Pierer sei auch deshalb zurückgetreten, um dem Konzern eine langwierige Untersuchung durch die amerikanische Börsenaufsicht zu ersparen, hieß es in Unternehmenskreisen.

Dem Aufsichtsrat dürfte daher an diesem Mittwoch eine turbulente Sitzung bevorstehen. ,,Es gibt es Überlegungen, ob es derzeit der richtige Zeitpunkt ist, Kleinfelds Vertrag zu verlängern oder ob man angesichts der laufenden Ermittlungen damit nicht warten sollte'', sagte ein Aufsichtsrat aus dem Lager der Arbeitnehmervertreter. Bislang hätten die von Siemens eingeschalteten US-Anwälte nichts Belastendes gegen Kleinfeld gefunden. Dennoch bleibe ein ,,mulmiges Gefühl''. Schließlich sei noch nicht alles untersucht worden.

In Kreisen des Aufsichtsrates wurde es am Dienstag für möglich gehalten, dass Kleinfeld aufgrund des Drucks der Kontrolleure an diesem Mittwoch sogar von sich aus hinwerfen könnte. Schon eine Verschiebung der Vertragsverlängerung käme einer öffentlichen Demontage Kleinfelds gleich, sagte ein Aufsichtsrat. Ein Siemens-Sprecher betonte dagegen, am Zeitplan für die Vertragsverlängerung von Kleinfeld habe sich nichts geänder. Darüber werde, wie vorgesehen, am Mittwoch entschieden.

© SZ vom 25.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: