Macao:Der Fluch des Geldes

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Die Kasinos haben Macao reich gemacht. Die Ex-Kolonie ist im Glücksspiel größer als Las Vegas. Doch die Menschen werden immer unzufriedener.

Janis Vougioukas

Kaum eine andere Wirtschaftsregion ist in den vergangenen Jahren so schnell gewachsen wie die südchinesische Sonderverwaltungszone Macao. Vor vier Jahren endete das Glücksspielmonopol in der ehemaligen portugiesischen Kolonie. Seitdem schreibt die Stadt fast jeden Monat neue Rekordzahlen.

Der Umsatz der Kasinos kletterte im vergangenen Jahr um 22 Prozent auf 6,95 Milliarden Dollar und übertraf zum ersten Mal Las Vegas. In nur sechs Jahren haben sich die Besucherzahlen verdreifacht. Fast 20 Millionen Touristen kamen im vergangenen Jahr vom chinesischen Festland auf den Landzipfel, der mit seinen 470 000 Einwohnern kaum mehr verkraften kann.

Der ungezügelte Glücksspielboom hat Macao zu einer reichen Stadt gemacht. Doch mit dem Boom wächst auch die Unzufriedenheit. ,,Unsere Wirtschaftsdaten sind auf den ersten Blick ganz ausgezeichnet'', sagt José Pereira Coutinho, Mitglied der Assembleia Legislativa und Chef der Beamtenvereinigung.

Die Arbeitslosigkeit ist quasi verschwunden. Der Immobilienmarkt boomt. Jedes Jahr investieren ausländische Unternehmen mehr, als in den 450 Jahren portugiesischer Kolonialgeschichte zuvor insgesamt investiert wurde.

"Doch die einfachen Menschen profitieren kaum davon und die Frustration ist so groß wie nie'', sagt Pereira Coutinho. Selbst kleine Wohnungen kosten inzwischen über 3000 Pataca pro Monat, umgerechnet etwa 280 Euro. Doch das Lohnniveau für ungelernte Arbeiter liegt kaum höher, bei 4000 bis 5000 Pataca pro Monat, und hat sich in den vergangenen Jahren kaum verbessert.

Im Mai entlud sich die Wut der Bevölkerung bei einer Kundgebung in der Innenstadt. Ein Polizist feuerte Warnschüsse in die Luft. Eine umherirrende Kugel verletzte einen vorbeifahrenden Motorradfahrer.

"Macao befindet sich inder größten Krise seit 1999"

Die Ereignisse lassen sich nicht mehr genau rekonstruieren. Doch die Demonstration heizte die Stimmung in der Stadt in den vergangenen Monaten noch weiter an. "Macao befindet sich heute in der größten Krise seit der Rückgabe an China im Jahr 1999'', sagt die Kolumnistin und Fernsehmoderatorin Agnes Lam.

Damals war die Stadt ein Zentrum der organisierten Kriminalität in Asien. Die Triaden beherrschten Macao und verwalteten die umsatzstarken Spieltische in den VIP-Räumen des düsteren Lisboa-Kasinos, wo Millionenbeträge auf den Tischen lagen und Frauen und Drogen wie Appetithäppchen gereicht wurden.

Vor dem Ende der Kolonialverwaltung kämpften die Mafia-Clans blutige Verteilungskriege auf den Straßen der Stadt, über hundert Menschen starben. Polizeikommandant Manuel Monge sagte auf einer Pressekonferenz: "Unsere Triaden-Mitglieder sind ausgezeichnete Schützen. Sie treffen ihre Ziele und keine unschuldigen Passanten.''

Das war zur Beruhigung der Bevölkerung gedacht. Kurz darauf wurde Monges Chauffeur erschossen. Erst als die Truppentransporter der chinesischen Volksbefreiungsarmee in die Stadt einrollten, beruhigte sich die Situation.

Den größten Umsatz machen die Kasinos an den VIP-Tischen, die oft an Vertragspartner verpachtet werden. Viele Kasinokonzerne sind heute börsennotierte Unternehmen.

Die Zwischenbetreiber unterliegen weniger strengen Kontrollen. "Bei vielen Kasinos betragen die VIP-Einnahmen über 70 Prozent des Umsatzes'' sagt ein Brancheninsider.

Doch weil die Zahl der Spieltische schneller wächst als der Markt, steigt der Konkurrenzkampf. Nicht immer wird dieser mit sauberen Mitteln ausgetragen. Im vergangene Sommer warnte Kasino-Oligarch und Lisboa-Chef Stanley Ho vor dem "halsabschneiderischen Wettbewerb'' um die reichsten chinesischen Zocker. Eine unglückliche Wortwahl.

Denn nur eine Woche später wurde Chao Yeuk-hong mit durchgeschnittenem Hals in ihrem Auto aufgefunden. Chao, besser bekannt unter dem Namen "Big Sister Cat'', war Direktorin des Golden-Palace-VIP-Raums in Stanley Hos Lisboa-Kasino.

"Es war einige Jahre still, doch die organisierte Kriminalität ist nie wirklich verschwunden'', sagt ein Manager eines ausländischen Glücksspielkonzerns, der namentlich nicht genannt werden möchte. Jetzt könnte der wachsende Konkurrenzkampf die Triaden-Kriminalität neu beleben.

© SZ vom 07.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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