Lufthansa: Das Champagner-Desaster:Diebstahl erster Klasse

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Champagner und Wein verschwinden aus der First Class, Flugbegleiter werden entlassen, eine bekannte Sportreporterin wird nach einem Flug mit einer Flasche Champagner von Bord erwischt - ihr Mann war der Pilot. Die Lufthansa hat ein internes Diebstahlproblem, das viele Millionen kostet.

Tobias Dorfer

Christa Haas mag keinen Champagner. Sie vertrage die Kohlensäure nicht, sagt die bekannte ZDF-Sportjournalistin. Und doch fand der Werkschutz am 28. Februar nach einem Flug aus San Francisco im Frankfurter Flughafen eine Flasche Champagner in ihrer Tasche - sie hatte das Getränk an Bord geschenkt bekommen.

Mysteriöse Diebstähle bei der Lufthansa: Die Airline verdächtigt ihre Mitarbeiter, Wein und Champagner aus den Flugzeugen zu schmuggeln. (Foto: Foto: ddp)

Das Problem: Die Lufthansa verbietet es ihren Angestellten ausdrücklich, Fluggästen Gegenstände von Bord mitzugeben. Und: Die vom Werkschutz inspizierte ZDF-Mitarbeiterin ist mit dem Lufthansa-Kapitän Helmut Haas verheiratet, der just die Boeing 747-400 von San Francisco nach Frankfurt gesteuert hatte.

Was geschah wirklich an Bord der Maschine? Wurde die Frau des Kapitäns bewusst bedacht? Sind solche Mitbringsel aus dem Bestand der Lufthansa üblich?

Offenbar bereits mehrere Entlassungen

Der Fall Haas gehört zu einer Kette von Ereignissen, die das Innenleben der größten deutschen Airline seit einiger Zeit erschüttern. Demnach hat die Lufthansa ihre eigenen Angestellten im Verdacht, hochwertige Bordartikel wie Champagner oder Wein aus dem Inneren der Maschine mit Hilfe von Angehörigen schmuggeln zu lassen. Offenbar hat es bereits eine Vielzahl von Entlassungen gegeben - im Kreis der Stewardessen und Stewards, die offiziell als "Flugbegleiter" firmieren. Piloten und Kopiloten aber blieben unbehelligt, heißt es im Umfeld der Lufthansa.

Im internen Mitarbeitermagazin Cabin what's up der Lufthansa ist beschrieben, dass in den letzten Wochen wiederholt Angehörige von Mitgliedern der Lufthansa-Crew mit Bordartikeln erwischt worden seien. Zugleich droht das Unternehmen in dieser Publikation Mitarbeitern, die auf diese Weise beim Diebstahl auffallen, mit fristloser Kündigung.

Damit auch alle den Ernst der Lage begreifen, verteilte die Flugfirma an die Bordbesatzungen zusätzlich ein Flugblatt. Darin werden die Angestellten noch einmal auf die Regeln aufmerksam gemacht. "Aus aktuellem Anlass", heißt es in dem Schreiben.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Flugkapitän Haas auf den Champagnerfund bei seiner Frau reagierte.

Aktuell wie die Causa Haas? Offenbar handelt es sich nicht um ein Einzelfall-Problem. In Internetforen ist häufig zu lesen, dass Fluggäste immer wieder mal Schampus oder Wein aus der First Class als Geschenk bekommen. Ein Mitglied des Bordpersonals berichtet, sympathischen Gästen oder Brautpaaren werde schon mal ein Fläschen mitgegeben: "Dieser Vorgang ist gang und gäbe."

Grundsätzlich gestattet die Lufthansa ihren Mitarbeitern solche Geschenke aber nur, wenn Fluggäste zum Beispiel beim Flug "Unannehmlichkeiten hatten oder der Crew in besonderer Weise behilflich waren", wie ein Lufthansa-Sprecher ausführt. Dann geht es um "Kompensation".

"Erfolgreiche Aktion gegen Diebstahl"

Die Lufthansa ist derzeit allem Anschein nach ganz begierig darauf, mehr über das System Bordschmuggel zu erfahren. Die Überwachung der eigenen Belegschaft - und der Angehörigen - wurde verschärft. Laut einem internen Lufthansa-Papier führe der Werkschutz gerade eine "sehr erfolgreiche Aktion gegen Schwund und Diebstahl" durch.

Noch vor einiger Zeit hätten die Mitarbeiter die teuren Alkoholika relativ risikolos aus dem Jet mitnehmen können. Eine ehemalige Flugbegleiterin erzählt, in sieben Jahren Betriebszugehörigkeit sei sie kein einziges Mal vom Werksschutz durchsucht worden.

Doch offenbar hat sich der Diebstahl von Wein- und Champagnerflaschen zum Groß-Problem entwickelt. Anders als beim Bordverkauf von Zigaretten und Parfüm, wo der verantwortliche Flugbegleiter selbst für eventuelle Ausfälle haften muss, bleiben Verluste bei den Alkoholika an der Lufthansa selbst hängen. Insider taxieren den jährlichen Schaden auf eine zweistellige Millionenhöhe. Zudem handelt es sich um zollfreie Ware - der Staat geht also leer aus.

Kapitän Haas können die Kalamitäten nicht verborgen geblieben sein. Nachdem seine Frau in Frankfurt aufgefallen war, schrieb er seiner Lufthansa-Crew des San-Francisco-Flugs in Bezug auf die "möglicherweise folgenschwere Peinlichkeit". Seine Frau, "die ihr sehr lieb als Gast behandelt habt", sei vom Werkschutz angehalten worden. Dann empfiehlt er der Besatzung indirekt, "die vielleicht unwissentliche Überschreitung des Kompetenzbereiches" in einem Gespräch mit der Teamleitung zuzugeben. Und erinnert daran, dass bei solchen Gesprächen "eine Person Eures Vertrauens (idealerweise ein Personalvertreter)" dazugenommen werden könne.

"Kapitän B744" ging in Sachen Solidarität noch weiter: "Ich werde versuchen, die Teamleitung milde zu stimmen. Das könnte allerdings in Anbetracht vieler anderer, vergleichbarer Fälle schwierig werden." Es gehe tatsächlich ja um "Diebstahl an unserer Firma und damit an uns selbst".

Lesen Sie im dritten Teil, warum nun eine Flugbegleiterin auf die Barrikaden geht - und wieso ZDF-Frau Christa Haas die Champagnerflasche überhaupt annahm.

Das Verhalten des Piloten wiederum empört eine "ehrliche Flugbegleiterin der Deutschen Lufthansa AG", wie sie sich selbst nennt. Die Frau schickte einen anonymen Brief an die Unternehmensführung und schilderte dabei das Intermezzo mit dem Ehepaar Haas. Nun werde "seitens des Flugkapitäns versucht, den Schwarzen Peter an das Kabinenpersonal weiterzugeben. Der Kapitän ist jetzt plötzlich das Opferlamm!" Dabei habe er sich "über bestehende Dienstanweisungen" hinweggesetzt.

Die empörte Mitarbeiterin wirft der Lufthansa vor, ungerecht vorzugehen: "Verwunderlich ist, dass zwischen dem Cockpitpersonal und dem Kabinenpersonal zweierlei Messlatten angewandt werden". Gibt es für die Flugfirma also ungerechtfertigte Unterschiede zwischen Stewardessen und Piloten? Offenbar ja, meint sie - das zeige sich auch im Falle des "Flugkapitäns, dessen Frau beim ZDF arbeitet". Genau "diese Ungerechtigkeit" stoße bei den Flugbegleitern "auf absolutes Unverständnis". Die anonyme Briefautorin vermutet, dass der Kapitän von der Personalvertretung des Cockpits besonders unterstützt werde.

Der Lufthansa sind die Vorfälle bekannt

Schwere Vorwürfe. Eine Anfrage von sueddeutsche.de beantwortete die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit nicht. Die Lufthansa selbst äußert sich zu diesem Thema wenig konkret. Auf Anfrage gab sie bekannt: "Über Einzelfälle und einzelne Arbeitsverhältnisse können wir keine Auskunft geben." Firmensprecher Patrick Meschenmoser räumt aber ein, dass es in der Vergangenheit in der Tat - "wie bei jedem Unternehmen" - Vorfälle gegeben habe, "bei denen Mitarbeiter Firmeneigentum nicht entsprechend existierender Regularien verwendet oder weitergegeben haben".

Auch Kapitän Haas wollte nicht selbst Stellung nehmen. Seine Frau Christa, die im ZDF als Redaktionsleiterin Sport aktuell fungiert, wiederum erklärt zu dem Frankfurter Flaschenfund, sie habe den Champagner nach dem Kalifornien-Trip von einer Flugbegleiterin bekommen, "weil sie mich so sympathisch und pflegeleicht fand". Sie selbst habe die Flasche erst nicht annehmen wollen, dann aber doch akzeptiert - "aus Höflichkeit" und "weil die Flugbegleiterin so liebenswürdig und zuvorkommend war".

Keine Zeitungen aus dem Flieger

Im Übrigen, so die viel reisende Sportjournalistin Haas, habe sie sich nichts dabei gedacht. Sie kenne so ein Vorgehen auch von anderen Fluglinien: "Also war es für mich normal."

Vor 19 Jahren, auch das erzählt die auf Schwimmen, Biathlon und Eiskunstlauf spezialisierte ZDF-Moderatorin noch, habe ihr Mann sie einmal darauf aufmerksam gemacht, dass Zeitungen nicht aus dem Flieger mitgenommen werden sollen. Daran halte sie sich auch. Der Champagner, das war eine andere Geschichte - die Flugbegleiterin habe sich ja nicht bereichert, "sondern im Namen der Lufthansa etwas verschenkt".

Die edle Flasche gab die blonde Passagierin am Ende dem Werkschutz ab. "Die Herren meinten, es wäre Lufthansaeigentum." Und damit lagen sie wohl auch richtig.

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