Luftfahrt:Airbus und das Geisterflugzeug

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Der Airbus A350 ist ein Flugzeug, über das kein Mensch bei Airbus offiziell redet — und doch bereitet es dem US-Konkurrenten Boeing schon Sorgen.

Vor zwei Jahren bestritt Airbus mit Nachdruck alle Spekulationen um das Projekt "A30X", obwohl kleine Entwicklungsteams für diese Idee eines neuen zweistrahligen Mittelstreckenjets tätig waren.

"Wir arbeiten immer an vielen Projekten und Ideen", erklärte seinerzeit ein Airbus-Manager in Toulouse, "das ist notwendig, um auf dem Laufenden zu bleiben, und hat nichts damit zu tun, was am Ende wirklich gebaut wird."

Doch jetzt sieht alles ganz anders aus: Das Geisterflugzeug A350, über das kein Mensch bei Airbus offiziell redet, macht sogar schon dem amerikanischen Konkurrenten Boeing ernsthaft Sorgen, der im Jahr 2008 den "Dreamliner" 7E7 auf den Markt bringen und mit diesem Twinjet Airbus wieder Paroli bieten will.

Großauftrag zurückgestellt

Wie konkret das amerikanisch-europäische Duell bereits geworden ist, hat jüngst das führende britische Luftfahrtmagazin Flight International enthüllt: Danach hat die renommierte asiatische Fluggesellschaft Singapore Airlines, die schon seit vielen Jahren als Trendsetter der Branche gilt, ganz überraschend einen allgemein erwarteten Großauftrag für die neue Boeing 7E7, die 2007 ihren Jungfernflug absolvieren soll, für wenigstens ein Jahr zurückgestellt.

Bei SIA wolle man erst einmal abwarten, so Flight International, mit welchen Leistungsdaten Airbus sein neues Konkurrenz-Projekt offerieren wird, und dann entscheiden.

Für Boeing muss das ein Rückschlag sein. Denn eine 7E7-Bestellung durch Singapore Airlines zum gegenwärtigen Augenblick hätte zweifelsohne Signalwirkung haben können, zumal andere angesehene große Fluggesellschaften wie die Lufthansa und die amerikanische Northwest Airlines bereit stehen und unverändert als potenzielle 7E7-Kunden gelten.

Tatsächlich aber ist Airbus im Hintergrund schon wieder rührig geworden, um auch im großen Markt der lukrativen neuen 250-Sitzer weiterhin eine ebenbürtige Rolle spielen zu können. Schließlich wird der weltweite Bedarf an Flugzeugen dieser Art und Größe in den kommenden 20 Jahren auf annähernd 15.000 Stück geschätzt.

"Wir stehen nicht unter Druck"

Noch anlässlich der Luftfahrtschau im englischen Farnborough hatte der französische Airbus-Präsident Nohl Forgeard am 19. Juli dieses Jahres auf alle Fragen, ob Airbus mit einem neuen Projekt auf die Boeing 7E7 antworten wolle, ausweichend geantwortet: "Die 7E7 ist die amerikanische Antwort auf unseren Airbus A330, der auf Jahre hinaus Marktführer bleiben wird. Wir erwägen natürlich viele Szenarien, aber wir stehen nicht unter Druck."

Aber sogar mit Rolls-Royce und anderen Triebwerksherstellern sei schon über neue Mototorenentwicklungen gesprochen woren, hieß es.

Der Hintergrund ist im Grunde ganz einfach und hatte schon bei den Diskussionen um das ominöse Projekt A30X eine wichtige Rolle gespielt: Die Fluggesellschaften aus aller Welt benötigen Ende dieser Dekade zahlreiche neue zweistrahlige Mittel- und Langstreckenflugzeuge für 200 bis 250 Sitze.

Bewährte Flugzeug-Programme laufen aus

Die beiden bewährten Airbus-Programme A300-600 und A310, die inzwischen schon über zwei Jahrzehnte laufen, werden eingestellt. Genauso wie die erfolgreichen Typen Boeing 757, deren Produktion in diesem Jahr eingestellt wird, und Boeing 767.

Da man bei Boeing in gut drei Jahren die 7E7 - der deutsche Airbus- Vorstandsvorsitzende Gerhard Puttfarcken: "Das wird wahrscheinlich ein verdammt gutes Flugzeug" - marktreif haben will und Airbus glaubt, eine veränderte A330 alias A350 bis dahin auch offerieren zu können, muss der einstige Branchenführer Boeing nun sogar fürchten, abermals den Kürzeren gezogen zu haben.

Airbus wird, wie immer das Flugzeug aussehen und offiziell heißen wird, seine bewährte Familien-Philosophie fortsetzen.

Denn auch die neue Boeing 7E7 wird wieder ein "Lone Star" sein, wie amerikanische Fluggesellschaften schon jetzt bedauern, ein "einsamer Stern". Die Piloten von Airbus können beispielsweise ohne Probleme innerhalb der A320-Familie bis zur A330 und A340 wechseln.

Nicht wachgerüttelt

Dass dies die allgemeinen Betriebskosten wesentlich reduziert, hat Boeing offenkundig nicht wach gerüttelt. Darüber klagen schon jetzt Techniker und Manager führender US-Airlines.

Kein Wunder, dass von der Beoing 7E7 erst 62 Stück bestellt worden sind. Bemerkenswert: Bislang ist darunter noch keine US-Airline, obwohl Boeing bereits seit langem in sehr konkreten Verkaufsverhandlungen mit zwei Dutzend Fluggesellschaften steht.

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