Lohn der harten Arbeit:Ein amerikanischer Traum verblasst

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Ein Arbeiter am One World Trade Center schaut über die Skyline von Manhattan (Foto: REUTERS)
  • Zwar glaubt noch mehr als die Hälfte der Amerikaner daran, dass harte Arbeit mit Reichtum belohnt werde. Doch die Zahlen haben im Vergleich zu den Vorjahren deutlich abgenommen.
  • Selbst zu Zeiten der Finanzkrise hatten mehr Vertrauen in die Erfüllung des amerikanischen Traums.

Von Pia Ratzesberger

Vom Obdachlosen zum erfolgreichen Geschäftsmann

Es könnte kein passenderes Beispiel für den amerikanischen Traum geben als die Geschichte von Christopher Gardner: In ärmlichen Verhältnissen im US-Bundesstaat Wisconsin während der 50er Jahre geboren, später nach San Francisco weitergezogen, dort als Vertreter für Medizintechnik von Tür zu Tür getingelt - immer in der Hoffnung, dass es am Ende des Monats irgendwie reicht. Doch als Gardner in den 80er Jahren Vater wurde, beschloss er den Vertreterjob aufzugeben und es zu versuchen: ganz nach oben zu kommen. Gardner nahm einen Praktikumsplatz bei einer Investmentbank an. Die klägliche Aufwandsentschädigung reicht schon bald nicht mehr für die Miete, Gardner und sein Sohn schlafen im Freien, in U-Bahn-Stationen, in Obdachlosenheimen. Morgens geht der Vater wie all die anderen Banker ins Büro. Die Aussicht auf eine bessere Zukunft macht die Gegenwart erträglich.

Und tatsächlich, wie es sich für eine Erfolgsgeschichte eben gehört, ergattert Gardener am Ende den Job bei der Bank. Er gründet später seine eigene Finanzmakler-Firma, verdient Millionen. Der amerikanische Traum: erfüllt. Seit Gardners Lebengeschichte vor acht Jahren in "Das Streben nach Glück" mit Will Smith in der Hauptrolle verfilmt wurde, kennen sie Millionen Kinozuschauer. Denn Gardners Leben hat alles, was es braucht, um den American Dream auf der Leinwand Wirklichkeit werden zu lassen, um dem Publikum den Glanz der amerikanischen Leistungsgesellschaft vorzuführen: Schaut her, wer hart arbeitet, der kann hier alles schaffen!

Doch genau diesem Versprechen, das das Bild von Amerika über Jahrzehnte geprägt hat, scheinen die Amerikaner nun Misstrauen entgegenzubringen. Einer Umfrage der New York Times zufolge glauben immer weniger Amerikaner daran, dass harte Arbeit später mit Reichtum belohnt wird. Nur noch 64 Prozent der mehr als 1000 Befragten sind davon überzeugt, berichtet die Zeitung. Natürlich sind das noch immer mehr als die Hälfte - im Vergleich zu den Vorjahren allerdings hat die Zahl deutlich abgenommen. Es ist der niedrigste Wert seit zwei Jahrzehnten. Und das, obwohl die US-Wirtschaft momentan schneller wächst als viele Analysten angenommen hatten. Die Arbeitslosenquote ist mit 5,8 Prozent so gering wie seit sechs Jahren nicht mehr. Sogar in Zeiten der Finanzkrise, im Jahr 2009, in denen das amerikanische Bruttoinlandsprodukt um fast drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr einbrach, war der Glaube an den amerikanischen Traum stärker: 72 Prozent glaubten damals noch an eine ruhmreiche Zukunft.

Die Ungleichheit in den USA hat zugenommen

Warum also haben manche Amerikaner den Glauben an den Lohn der Arbeit verloren? Vielleicht, weil eine boomende Wirtschaft noch lange nicht bedeutet, dass auch alle von ihr profitieren. Eine Studie der OECD zeigt, dass auch in den USA, genau wie in den meisten OECD-Ländern, die Ungleichheit in der Bevölkerung seit Mitte der 80er Jahren zugenommen hat. Die Einkommensunterschiede sind heute größer als damals, der sogenannte Gini-Koeffizient ist in den Vereinigten Staaten auf einen Wert von 0,4 gestiegen. Der Koeffizient misst auf einer Skala von 0 bis 1 die Ungleichheit in einem Land, bei einem Wert von null haben alle das gleiche Einkommen, bei eins ist die Ungleichheit am größten. In Deutschland zum Beispiel hat der Gini-Koeffizient etwa einen Wert von 0,3.

Tatsächlich haben auch 38 Prozent der befragten Amerikaner genannt, dass ein zu schwaches Eingreifen des Staates, mit der Folge einer solchen ungleichen Wohlstandsverteilung, ein großes Problem in ihrem Land sei. Allerdings scheint noch mehr als die zunehmende Ungleichheit die mögliche Überregulierung zu verunsichern: Etwas mehr als die Hälfte aller Befragten gab an, dass sie zu viel staatliche Regulierung fürchteten, die das Wachstum behindere. Eine Umverteilung durch den Staat, das will natürlich so gar nicht zum American Dream passen. Dem Traum, für dessen Erfüllung nun einmal jeder selber kämpfen muss. Auch wenn der Glaube daran also abgenommen hat - das ihm zugrundeliegende Prinzip schätzen die Amerikaner noch immer: Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Für sein eigenes Streben nach Glück.

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