Lockerung des Meisterzwangs:Koalition bremst Union beim Handwerk aus

Lesezeit: 2 min

Die Regierung will noch in diesem Herbst gegen die Union durchsetzen, dass der Meisterzwang künftig weniger rigide gehandhabt wird. Die SPD-Fraktion arbeitet an einem leicht veränderten Gesetzentwurf, der im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist. "Wir ziehen das durch", sagte der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend.

Von Robert Jacobi

(SZ vom 11.09.03) - Die Reform des Handwerks ist ein Lieblingsprojekt von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der seine Vorschläge bei jeder Gelegenheit verteidigt.

Der Union geht die Abschaffung des Meisterzwangs in zwei Drittel aller bisher geschützten Berufe zu weit, weshalb sie droht, die Novelle im Bundesrat zu blockieren.

Für diesen Fall arbeiten die Experten der SPD-Bundestagsfraktion bereits an einem Ausweg: Der Gesetzentwurf wird so umformuliert, dass der Bundesrat nicht zustimmen müsste.

Noch eine Chance für die Union

"Wir könnten die ganze Handwerksordnung im Alleingang abschaffen, wenn wir das wollen", hieß es im Wirtschaftsministerium. Der Union soll aber noch eine Chance eingeräumt werden, im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einen Kompromiss zu ermöglichen.

"Noch in diesem Jahr werden wir diese überfällige Reform umsetzen", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Wend, der den Wirtschaftsausschuss des Bundestags leitet.

Die Union bleibt vorerst bei ihrer harten Position. "Das Vernünftige ist schon heute möglich", sagte Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag. "Wir brauchen den Radikalschnitt überhaupt nicht", ergänzte sie.

Das Handwerk hatte schon im Frühjahr Protestaktionen gestartet und die Union damit unter Druck gesetzt. Allerdings ist der Widerstand gegen die Regierungspläne auch auf den Landtagswahlkampf in Bayern zurückzuführen.

Enge Beziehungen zwischen Handwerk und CSU

Dort bestehen traditionell enge Beziehungen zwischen Handwerk und CSU-Landesregierung. Bayern hatte einen Gegenentwurf in den Bundesrat eingebracht, ihn aber wegen Mängel in dieser Woche zurückgezogen.

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat eigene Pläne vorgelegt, die deutlich restriktiver sind als Clements Konzept. Allerdings spricht sich selbst der Verband dagegen aus, die Reform aufs nächste Jahr zu verschieben. Entsprechende Gerüchte hatte Clement kürzlich hart dementiert.

Clements Reform besteht aus zwei Teilen. Die "kleine Novelle" soll deutlich machen, dass einfache Tätigkeiten keinesfalls der Handwerksordnung unterliegen. Dazu zählen solche, die innerhalb von drei Monaten erlernbar sind, wie Gärtner oder Maler. Diese Tätigkeiten sollen ohne weitere Prüfung ausgeübt werden.

Auf diese Weise will Clement die Ich-AGs attraktiver machen. Die Union fürchtet, dass eine Billigkonkurrenz für Handwerksbetriebe entsteht. Diesen Teil hat der Bundesrat deshalb schon abgelehnt, der Vermittlungsausschuss berät am 24.September.

Kanzlermehrheit

Lehnt die Länderkammer auch das Vermittlungsergebnis ab, könnte die Koalition aber mit Kanzlermehrheit im Bundestag diese Novelle durchsetzen - es sei denn, einzelne SPD-Länder stimmen im Bundesrat mit den unionsregierten Ländern, sodass es zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit kommt. Dies gilt aber als unwahrscheinlich.

Noch umstrittener ist die "große Novelle", die der Bundestag voraussichtlich erst Mitte Oktober verabschieden wird. Der Entwurf sieht vor, dass in nur 29 statt bisher 94 Handwerksberufen der Meisterbrief unbedingt erforderlich ist, um einen Betrieb zu führen.

Nur gefährliche Jobs wie Elektriker oder Dachdecker blieben geschützt. Selbst in diesen Berufen sollen sich Gesellen selbstständig machen dürfen, die zehn Jahre Berufserfahrung haben.

Zustimmungspflichtige Teile

Die SPD-Experten halten diese Punkte für nicht zustimmungspflichtig. Wenn die Koalition den Bundesrat übergehen will, müsste sie aber auf andere, zustimmungspflichtige Teile verzichten - wie die Lockerung des Inhaberprinzips, nach der es ausreichen soll, einen Meister einzustellen, um einen Handwerksbetrieb führen zu dürfen.

Paradoxerweise stimmt die Union genau diesem Punkt sogar zu, ebenso wie einigen Erleichterungen bei der Meisterprüfung und den Kammerbeiträgen.

Nach dem Zeitplan der Koalition würde der Bundesrat in der Sitzung am 7. November über die große Novelle entscheiden und sie voraussichtlich ablehnen. Darauf folgen erneut Beratungen im Vermittlungsausschuss - vor der Drohkulisse eines zustimmungsfreien Gesetzes.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: