Lobbyismus für Gründer:Endlich fünf

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Florian Nöll sucht die Nähe zur Politik. Da ist er und der von ihm mitgegründete Verband für Gründer in Berlin ganz richtig. (Foto: N/A)

Beim Geburtstagsfest des Bundesverbandes Deutsche Start-ups lassen sich Politiker gerne sehen, denn die jungen Unternehmen sind die Zukunft.

Von Anna Dreher, Berlin

Eigentlich geht es an diesem Abend gar nicht um ihn. Aber als Christian Lindner die kleine Bühne betritt, drängen sich noch mehr Menschen in Anzügen, Pullovern, High Heels oder Sneakers nach vorne. Der Bundesverband Deutsche Start-ups (BVDS) feiert sein fünfjähriges Bestehen, die Gäste sind so divers wie die Szene selbst und freuen sich hörbar über den prominenten Politgast. "Mir wurde gesagt, viele hätten gefragt, kommt der überhaupt?", sagt der FDP-Chef. Er lacht: "Ja warum denn nicht, ich hab doch sonst nichts zu tun gerade."

Natürlich hätte es Gründe gegeben, auf diese Grußrede wenige Tage nach dem Ende der Sondierungsgespräche zu verzichten. Lindner weiß das, die Gäste wissen es. Dass er die Feier des BVDS dennoch für einen seiner ersten öffentlichen Auftritte nach dem Jamaika-Abbruch wählte, zeigt, welchen Stellenwert der deutsche Startup-Verband inzwischen genießt. Auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries gratuliert. Politiker und Investoren zeigen sich gerne mit Gründern. Sie gestalten Gegenwart und Zukunft der deutschen Wirtschaft mit. Oder versuchen es zumindest.

Der Start-up-Verband ist in den fünf Jahren seines Bestehens schneller gewachsen und genießt mehr Ansehen, als die Gründer es selbst erwartet hatten. Die drei Initiatoren Florian Nöll, Thomas Bachem und Erik Heinelt veranstalteten bereits 2005 Treffen, um die damals noch junge Szene zu vernetzen und Wissen zu teilen. Start-ups waren damals in der Öffentlichkeit, Wirtschaft und Politik kaum sichtbar. Das wollte das Trio ändern. Auf die Vereinsbildung 2010 folgte 2012 der Verband mit 17 Gründungsmitgliedern. Das Wall Street Journal titelte damals: "Lobbyismus für Anfänger". Inzwischen gehören dem Verband 750 Mitglieder an. Sie werden nach bestimmten Kriterien ausgewählt und können nur während ihrer Startup-Phase aktiv Mitglied sein. "Wir wollten damals eine Lücke schließen und dafür sorgen, dass es einen zentralen Ansprechpartner gibt - ganz ohne die Wachstumsfantasien, die wir sonst als Unternehmer hatten", sagt Nöll: "Es ist unglaublich, was seit dem passiert ist."

Der Startup-Verband möchte Deutschland so gründerfreundlich wie möglich machen

Nicht nur die Politik musste in der Anfangsphase noch davon überzeugt werden, dass eine Interessensvertretung für die steigende Zahl von jungen Unternehmen mit innovativen Ideen notwendig und sinnvoll ist - sondern auch die Branche selbst. Wer sich von Firmen im klassischen Sinn durch seine Flexibilität, Modernität und einer lockeren Unternehmenskultur unterscheidet, wollte nicht auf alte Organisationsstrukturen eines Verbandes zurückgreifen. Das war das Echo, bevor die Verbandsmitglieder mit ihrer Überzeugungsarbeit begannen. Dass sich nun viele der über 1800 deutschen Start-ups von dem Verband vertreten sehen, liegt nicht zuletzt an der auch dort eher legeren Kultur. "Der rote Teppich bleibt bei uns zu Hause, egal, ob wir es mit Ministern oder Dax-Managern zu tun haben", sagt Nöll. Man müsse sich schon richtig auf Start-ups einlassen. Die Beziehungen seien dann aber meist eng.

Die Zielsetzung hat sich kaum verändert: Der Verband will dazu beitragen, Deutschland so gründerfreundlich wie möglich zu machen. Studien, Kampagnen und Veranstaltungen sollen dabei zu einer größeren Öffentlichkeit führen, die wiederum dabei hilft, die Zusammenarbeit mit Branchenverbänden und etablierten Unternehmen zu stärken. Und nicht zuletzt sieht sich der BVDS als politische Interessensvertretung seiner Mitglieder. Das sogenannte Anti-Business-Angel-Gesetz, mit dem Steuervorteile bei kleineren Beteiligungen an Start-ups wegfallen sollten, hat der Verband beispielsweise verhindert.

"Unser Grundsatzprogramm ist ein Ritt durch sämtliche politische Bereiche", sagt Nöll. "Inzwischen ist der Weg von der Erkenntnis zur Umsetzung in der Politik schneller, aber für unsere Vorstellung geht es noch zu langsam." Die Taktrate bei Entscheidungen hoch zu halten ist in der Start-up-Branche, die sich in jungen oder noch nicht existierenden Märkten bewegt und ihre Finanzierungsformen und Geschäftsmodelle häufig erst noch finden muss, wichtig.

Im Koalitionsvertrag 2013, sagt Nöll, kam das Wort Start-up zum ersten Mal bei einer Regierungsbildung vor. In dieser Phase habe die Politik begonnen, die Arbeit des Verbandes tatsächlich ernst zu nehmen. "Wir müssen aber sowohl der Politik, als auch den Start-ups kontinuierlich zeigen, dass wir wichtig füreinander sind", sagt Nöll. In Deutschland werde gerne erst reguliert und dann erlaubt. "Das hat Einfluss auf die Wachstumsmöglichkeiten. Die initiale Entwicklung der Start-up-Szene gab es nicht wegen, sondern trotz der politischen Bedingungen." Dem Verband, da ist er sich sicher, wird die Arbeit also noch lange nicht ausgehen.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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