Lkw-Maut:Warten auf ein Wunder

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Der ohnehin schon um zwei Monate auf November verschobene Termin für den Start der Maut droht erneut zu platzen.

Von Ulf Brychcy

(SZ vom 10.09.2003) — Es gibt auch noch erfreuliche Termine für Manfred Stolpe. An diesem Freitag reist der Bundesverkehrsminister nach Rostock, um den 800 Meter langen Warnow-Tunnel einzuweihen.

Stolpe wird dann wieder in seinem Element sein. Er wird eine nette Rede halten, alle Beteiligten herzlich loben, das Band vor der Tunneleinfahrt durchschneiden.

Und er wird wohl denken, dass die Maut eine prima Sache ist - im Prinzip jedenfalls. Die Autofahrer müssen für die Durchfahrt eine Gebühr von etwa zwei Euro bezahlen, so einfach finanziert sich der 220 Millionen Euro teure Tunnel, der überwiegend von privaten Investoren gebaut wurde.

Doch vor dem Ausflug an die Ostsee hat das Parlament den schnöden politischen Alltag gesetzt. Der 67-jährige Superminister für Bauen, Verkehr und Aufbau Ost wird sich am Donnerstag vor dem Bundestag erklären müssen, wie und warum die elektronische Lkw-Maut zu einem Desaster geworden ist.

Toll Collect bekommt Probleme kaum in den Griff

Eigentlich soll es in der Debatte um den Verkehrshaushalt gehen. Die rot-grüne Regierungsfraktion und die Opposition wollen jedoch die Gelegenheit nutzen, um nach den Verantwortlichen für die peinliche Maut-Pleite zu fragen.

Die Unionsparteien werfen Stolpe vor, er und sein Haus hätten versagt. Rot-Grün hingegen schiebt alle Schuld auf den Betreiber Toll Collect, hinter dem die Großunternehmen Daimler-Chrysler und Deutsche Telekom stehen.

Schwerwiegende Fehler aber haben beide Seiten gemacht, was nur noch unerfreulicher ist. Schließlich geht es um ein industriepolitisches Vorzeigeprojekt, mit dem Bund und Konzerne gemeinsam weltweit glänzen wollten.

Die nächste Blamage zeichnet sich bereits ab. Der ohnehin schon um zwei Monate auf den 2. November verschobene Termin für den Start der Maut droht erneut zu platzen, wenn nicht noch zahlreiche Wunder geschehen.

Toll Collect bekommt die Probleme etwa bei den Mailboxen und der komplizierten Software kaum in den Griff. Garantien für einen pünktlichen und reibungslosen Systemstart lehnen Daimler-Chrysler und Deutsche Telekom deshalb strikt ab.

Die beiden Konzerne, deren Tochter Toll Collect für den Aufbau und Betrieb des Systems innerhalb von zwölf Jahren 7,3 Milliarden Euro erhält, wirken hoffnungslos überfordert.

Was ebenfalls für Stolpe gilt, dessen Lage zunehmend ungemütlich wird. Rot-grüne Verkehrspolitiker verlangen, dass Toll Collect für die Mautausfälle aufkommt, die sich allein bis November auf 320 Millionen Euro belaufen. "Die Steuerzahler dürfen nicht für das Versagen der Industrie blechen", sagt der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Albert Schmidt.

Doch die Verträge mit Toll Collect sind bereits unter Stolpes Vorgänger Kurt Bodewig offenkundig so laienhaft ausgehandelt worden, dass der Minister wenig tun kann. Seine Juristen suchen nun verzweifelt nach Möglichkeiten, Regress zu fordern.

Wohl vergebens, sollte die Unionsfraktion richtig liegen. Die zitiert aus einem Eckpunktepapier, das Stolpe und Toll Collect Ende Juli unterzeichnet hatten. Demnach habe der Bund die Industrie bis zum Jahresende von jeglichen Vertrags- und Haftungsstrafen freigestellt.

Das Verkehrsministerium bestätigt die Existenz des Papiers, will sich aber nicht näher dazu äußern. Ein Sprecher: "Vertragsinhalte sind vertraulich."

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