LKW-Maut:Spediteure sprechen von "Riesen-Reinfall"

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Nach dem ersten Probetag für das neue Mautsystem beklagen sich Spediteure und LKW-Fahrer über chaotische Zustände. Nur jeder dritte Bordcomputer funktioniert, rund eine Million muss erst noch eingebaut werden. Riesenprobleme, die bis zum 2. November nicht behoben werden können. Das meinen die Spediteure und fordern eine Verschiebung des Maut-Starts auf den 1. Januar.

Angesichts der Probleme bei dem Probebetrieb für die Lkw-Maut hat der Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen dem Betreiberkonsortium "Schönfärberei" vorgeworfen. Eine landesweite Stichprobe habe am Montag belegt, dass das System "in keiner Weise" funktionsfähig sei, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Bernward Franzky.

Von den 1100 Lastwagen, die beim Konsortium Toll Collect angemeldet wurden, sei nur ein Drittel mit den Geräten ausgerüstet worden. Mehr als 40 Prozent der Bordcomputer seien defekt gewesen. "Wer bei diesen Zahlen von einem erfolgreichen Start spricht, verdrängt die Realität", sagte Franzky mit Blick auf die Stellungnahme des Betreiberkonsortiums, das von einem positiven Start gesprochen hatte.

Der eigentliche Belastungstest stehe dem Mautsystem erst zum offiziellen Start am 2. November bevor. Von diesem Termin an müssen die Spediteure dann durchschnittlich 12,4 Cent pro Kilometer entrichten.

Der Deutsche Speditions- und Logistikverband in Osnabrück forderte auf Grund der technischen Probleme eine Verschiebung der offiziellen Einführung auf den 1. Januar 2004. "Wir haben Riesenprobleme, die sich nicht bis Anfang November beheben lassen werden", sagte der Präsident des Verbandes, Manfred Boes.

Nur jeder dritte Bordcomputer funktioniert

Nur etwa jedes dritte Gerät der so genannten On-Board-Units funktioniere. Zudem seien bislang lediglich 70000 Geräte eingebaut, rund eine Million würden aber benötigt. "Wir sind nicht gegen die Maut, aber die Voraussetzungen müssen stimmen."

Nach den Worten von Boes - selbst Spediteur - ist eine seriöse erste Bilanz des am Wochenende gestarteten Probebetriebs erst in der kommenden Woche möglich. Dann sei absehbar, welches Ausmaß die Ausfälle der Bordgeräte hätten. Internetbuchung und Anmeldestationen an den Autobahnen würden in der Testphase ohnehin kaum benutzt werden, prophezeite er.

Mautstationen keine Alternative zu OBUs

Der Seniorchef der Spedition Döpke in Isernhagen bei Hannover, Friedhelm Döpke, sagte, Deutschland habe als High-Tech-Land kein gutes Bild abgegeben. Ein Großteil der 50 Geräte in seinen Lastwagen habe am ersten Tag der Probemaut technische Fehler gehabt. "Wenn sie eingebaut werden, funktionieren sie noch. Dann schaltet der Fahrer den Blinker oder den Scheibenwischer an und nichts geht mehr."

Die Mautstationen seien keine Alternative zu den Bordcomputern. "So viel Zeit haben wir nicht zu verplempern. Die Betriebe, die über die Stationen abrechnen wollen, bestellen lieber gleich den Insolvenzverwalter", sagte Döpke. Darüber hinaus hätten viele Speditionen am Probebetrieb erst gar nicht teilgenommen, weil sie nicht rechtzeitig mit genügend Geräten ausgerüstet worden seien.

Der Geschäftsführer des Betreiber-Konsortiums Toll Collect ,Michael Rummel, meinte hingegen im ZDF, die 60000 OBUs, die bereits im Einsatz seien, seien "sattelfest und voll in Funktion". Insgesamt sei der Test gut angelaufen. Er sei zuversichtlich, dass bis zum 2. November mehr als 400.000 Erfassungsgeräte bereitgestellt werden könnten.

Verkehrsministerium will noch keine Bilanz ziehen

Der Sprecher des Verkehrsministeriums, Felix Stenschke, sah am Montag keinen Anlass für eine erste Bilanz. Das Betreiberkonsortium habe "die Dinge angeschaltet, die anschaltbereit sind". Entscheidend sei die Phase vor Erteilung der Betriebsgenehmigung für das Mautsystem gegen Ende des Probelaufs. Dann werde das Ministerium noch einmal "tief in das System hineinschauen".

Die Süddeutsche Zeitung meldete, Bundeskanzler Gerhard Schröder habe Verkehrsminister Manfred Stolpe aufgefordert, bei der Umsetzung des Mautsystems härter durchzugreifen. Der Kanzler sei verärgert, dass die bisherigen Pannen der Regierung angelastet würden. Danach gefragt, wich Regierungssprecher Thomas Steg aus.

Er sagte, Schröder und Stolpe hätten mehrfach über das Thema gesprochen. Das Kanzleramt sei über Stolpes Schritte immer informiert gewesen.

(sueddeutsche.de/AP/dpa)

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