Linda siegt:Die Königin muss nicht mehr ängstlich dampfen

Lesezeit: 2 min

Der Aufsehen erregende Rechtsstreit um eine der beliebtesten deutschen Knollen ist im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs beigelegt worden.

Für Linda hatten sie sich richtig ins Zeug gelegt. Sogar vor Gericht waren Bauern und Verbraucherschützer gezogen, um die beliebte Kartoffelsorte vor dem Aus zu bewahren.

Jetzt hat die Fangemeinde allen Grund zum Jubeln, denn Linda ist vorerst gerettet. Züchter und Liebhaber einigten sich am Dienstag auf einen außergerichtlichen Vergleich. Demnach will die Saatgutfirma Europlant, die Linda vom Markt nehmen wollte, der Kartoffel eine Schonfrist von zwei Jahren einräumen.

Lindas Anhänger sind rundum zufrieden, denn von jüngeren, knackigeren Konkurrentinnen wollen sie nichts wissen.

"Würzig, buttrig im Geschmack und wunderbar gelbfleischig"

Mit dem Kompromiss geht ein erbitterter Rechtsstreit zu Ende, der Ende vergangenen Jahres begann und sogar vor Gericht ausgetragen wurde. "Bauern können damit weiter mit Linda als Pflanzmaterial planen, und Verbraucher können Linda auf dem Teller genießen", jubelt der Biobauer Karsten Ellenberg aus dem niedersächsischen Barnum.

Bevor es Ende 2004 zum Streit kam, war alles in schönster Ordnung: Jeder Bauer konnte Linda anbauen, zahlte dafür Lizenzgebühren an die Lüneburger Firma Europlant, die die Rechte an der 1974 geschaffenen Knolle hat.

Doch Ende 2004 sollte das Patent - im Fachjargon Sortenschutz - auslaufen, sodass jeder die Sorte hätte züchten können. Bevor es dazu kam, meldete Europlant aber die Zulassung für Linda beim Bundessortenamt ab. Sie sollte vom Markt verschwinden und neuen Züchtungen Platz machen.

Viele Landwirte wie Biobauer Ellenberg wollten das Todesurteil für Linda nicht hinnehmen. Er gerät geradezu in Verzückung, wenn er von der Knolle erzählt. "Sie ist würzig, buttrig im Geschmack und wunderbar gelbfleischig", schwärmt er. Von den rund 200 in Deutschland zugelassenen Kartoffelsorten sei sie die Königin.

Konkurrenz für Belana

Verrückt seien seine Kunden nach der festkochenden Linda. Sein Verdacht: Europlant wolle Linda nur an den Kragen, um sich lästige Konkurrenz für seine neue Marke Belana vom Leib zu halten. Eine von Ellenberg mitorganisierte Kampagne "Rettet Linda" brachte nicht nur Verbraucherschützer auf die Barrikaden, sondern fand sogar Unterstützung bei Ex-Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne).

Europlant-Geschäftsführer Jörg Renatus ließ das nicht auf sich sitzen. "Linda ist eine alte Dame, die ihre Zeit gehabt hat", ließ er vernehmen. Längst gebe es jüngere, bessere Sorten. Die Belana zum Beispiel sei weniger anfällig für Krankheiten und komme daher mit weniger Pflanzenschutzmitteln aus. Als Züchter habe er die Aufgabe, dem Markt immer bessere Sorten anzubieten, betonte Renatus. "VW verkauft doch auch nicht mehr den Golf I, weil Nostalgiker ihn schön finden." Doch ein erstes Kräftemessen im Kartoffelstreit verlor Renatus.

Linda-Fans erreichten, dass das Bundessortenamt die Auslauffrist für den Sortenschutz bis Juni 2007 verlängerte. Biobauer Ellenberg beantragte daraufhin prompt eine Neuzulassung. Doch damit waren die Sorgen der Kartoffelanhänger noch nicht vom Tisch, denn das Verfahren zur Neuzulassung dauert rund zwei Jahre. Ihre Befürchtung: Europlant könnte bis dahin sämtliches Pflanzgut vernichtet haben.

Um Linda zu sichern, vermehrten drei Bauern aus Niedersachsen die Knolle einfach auf eigene Faust. Europlant sah seine Exklusivrechte verletzt, holte zum Gegenschlag aus und ließ die komplette Linda-Ernte der Bauern beschlagnahmen. Um diese 200 konfiszierten Tonnen Pflanzgut ging es in dem jüngsten Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Celle.

Nun sind die Streithähne zufrieden: Europlant bekommt die beschlagnahmte Ernte, verpflichtet sich im Gegenzug, das kostbare Pflanzgut nicht zu vernichten. Zwar will Europlant Linda ab Juni 2007 endgültig nicht mehr vermarkten. Doch bis dahin, hoffen die Kartoffelfreunde, ist die Neuzulassung unter Dach und Fach.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: