Lidl-Aktion der Bahn:Es geht noch billiger

Lesezeit: 3 min

Die Stiftung Warentest hat den bevorstehenden Verkauf von Bahntickets bei der Discounter-Kette Lidl kritisiert. Andere Sparangebote der Bahn seien teilweise günstiger, monieren die Verbraucherschützer. Die Bahn gibt sich gelassen: Die Kritik belege nur, wie billig Bahnfahren sei.

Am Donnerstag wird es bei Lidl an der Kasse vermutlich schon morgens um acht die ersten Schlangen geben. Bei Deutschlands zweitgrößtem Discounter sind neben Käse, Knäckebrot und Klopapier erstmals auch Fahrkarten der Deutschen Bahn im Angebot - für 49,90 Euro hin und zurück durch die ganze Republik.

Ab Donnerstag im Praxis-Test: Bahn-Tickets bei Lidl. (Foto: Foto: dpa)

Mit der Schnäppchen-Aktion will die Bahn endlich den Ruf loswerden, dass sie zu teuer ist, und neue Kunden für ihre Sorgensparte Fernverkehr gewinnen. Aber auch viele Stammgäste werden sich die Chance nicht entgehen lassen.

Für die Sonderaktion in allen 2600 Lidl-Filialen stehen mehrere hunderttausend Fahrscheine zur Verfügung. Die genaue Zahl wollen weder Bahn noch Lidl verraten.

Kleines Heftchen

An der Kasse werden jeweils zwei Blanko-Tickets in einem kleinen Heftchen verkauft. Name, Strecke und Datum der Reise (egal wann, nur vor dem 3. Oktober) kann jeder selbst eintragen. Dazu gibt es noch einen Gutschein, der beim Kauf einer Bahncard verrechnet werden kann. Das Angebot rechne sich bereits für Fahrten über 160 Kilometer, wirbt die Bahn.

Dieser Darstellung widerspricht allerdings die Stiftung Warentest, die ermittelt hat, dass die Lidl-Aktion im Vergleich zu anderen Spar-Angeboten der Bahn zu ungünstigeren Konditionen führen kann. Viele Kunden gelangten auch bei Reisen mit einer Entfernung von mehr als 160 km mit anderen Fahrkarten preiswerter ans Ziel, sagen die Verbraucherschützer.

Gruppenangebote

Vor allem wenn mehrere Personen gemeinsam unterwegs seien, erwiesen sich zum Beispiel "Schönes-Wochenende-Ticket", "Länder-Tickets" oder die "Sparpreise" oft günstiger. Den beliebten Mitfahrerrabatt gebe es beim Lidl-Ticket zudem nicht. Auch für viele Familien sei das Billigangebot nicht lohnend: Während andere Bahntickets häufig die kostenlose Mitnahme von Kindern im Alter von 6 bis 14 Jahren ermöglichten, würden Sprösslinge aus dieser Altersgruppe beim Lidl-Ticket wie Erwachsene zur Kasse gebeten, argumentiert die Stiftung Warentest.

Generell kritisieren die Verbraucherschützer, dass an einer Discounter-Kasse wohl keine Preisvergleiche und Kundeninformation zu erwarten seien. Gerade die von der Bahn erhofften Neukunden bedürften aber einer besonders guten Betreuung. Andernfalls sei zu befürchten, dass viele von ihnen zu den Hauptverkehrszeiten in übervollen Zügen ohne Platzkarten mit Stehplätzen vorlieb nehmen müssten.

Die Bahn gibt sich angesichts der Kritik allerdings gelassen: "Wir schließen nicht aus, dass es in Einzelfällen noch günstigere Angebote geben kann. Die Einwendungen belegen nur, wie billig Bahnfahren ist, sagt ein Bahn-Sprecher zu sueddeutsche.de. Dass an der Discounter-Kasse keine ausführliche Beratung geleistet werden könne, sei einkalkuliert worden. "Deswegen sind die Tickets ja so einfach gestaltet worden", sagt der Sprecher.

Solange der Vorrat reicht

Offiziell läuft die Aktion bis zum 28. Mai. Aber erwartet wird, dass die Karten früher vergriffen sind. "Verkauft wird, solange der Vorrat reicht", sagt Bahnchef Hartmut Mehdorn. Um Hamsterkäufe zu vermeiden, werden die Heftchen nur in "handelsüblichen Mengen" abgegeben - höchstens fünf Stück. Der Weiterverkauf ist verboten.

Trotzdem wird nicht zu verhindern sein, dass sich einige mehrmals anstellen und die Billig-Tickets mit Aufschlag weiter veräußern.

Mit dem Gedanken, die Fahrscheine auch einmal im Supermarkt zu verkaufen, beschäftigte sich die Bahn schon seit Monaten. Das Angebot soll all jene überzeugen, denen die Schlange am Schalter zu lange, die Bahncard zu teuer und die Buchung übers Internet zu schwierig ist.

"Früher war die einzige Möglichkeit, an einen Fahrschein zu bekommen, ein Loch im Fenster des Fahrkartenschalters", erinnert sich Mehdorn. Das hat sich geändert. Heute wird nur noch jedes vierte Ticket am Schalter verkauft. Die meisten gehen am Automaten weg.

Aldi und Tchibo waren ebenfalls im Gespräch

Auch mit der Lidl-Konkurrenz Aldi und Tchibo war die Bahn im Gespräch. Letztlich entschied man sich aber dazu, den neuen Verkaufsweg Supermarkt mit einem einzigen Partner zu testen. "Lidl machen wir gerne", sagt Mehdorn. "Warum auch nicht? Jeder leere Platz in einem Zug ist ein verschenkter Platz." Und davon gibt es in den Fernverkehrszügen immer noch genug: Im vergangenen Jahr waren im Durchschnitt 42 von 100 Plätzen besetzt (2003: 39,7 Prozent).

Immer noch macht der Bahn die Konkurrenz der Billigflieger schwer zu schaffen. Auch die Nachwirkungen des Preissystem-Debakels im Jahr 2003 hat sie noch nicht ganz verkraftet.

Im ersten Quartal fuhren EC, IC und ICE nach unbestätigten Angaben rund 30 Millionen Euro Verlust ein. Vor einem Jahr waren die Zahlen allerdings noch schlechter. Mehdorn hofft nun aber, dass 2006 endlich auch im Fernverkehr Gewinn gemacht werden kann.

Frühlingsspezial

Dafür lässt sich die Bahn auch sonst so einiges einfallen. Als "Frühlingsspezial" wurden in diesem Jahr bereits eine halbe Million Tickets für 29 und 39 Euro verkauft, die allerdings an bestimmte Züge gebunden waren.

Auch die Internet-Sonderangebote "Surf&Rail", Frühbucher-Rabatte sowie die wieder eingeführte Bahncard (3,1 Million Exemplare) erfreuen sich großer Beliebtheit: Inzwischen zahlen nur noch 17 Prozent der Bahnfahrer den regulären Preis.

Noch ist offen, ob die Lidl-Aktion eine Ausnahme bleiben oder zur Regel wird. "Wir warten ab, wie sich das entwickelt", heißt es bei der Bahn. Entscheidend wird sein, ob tatsächlich neue Kunden gewonnen werden können, die dann auch bereit sind, höhere Preise zu zahlen. Denn die Billig-Tickets allein rechnen sich nicht.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: