Lanxess-Chef Heitmann:"China hat sich enorm weiterentwickelt"

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Lanxess-Chef Axel Heitmann über steigende Rohstoffpreise, Investitionen in der Heimat und Geschäfte in China.

J. Vougioukas und W. Zäh

Lanxess-Chef Axel Heitmann, 48, hat selbst zwei Jahre in Schanghai gelebt. Nach seiner Ansicht beschleunigt das Engagement ausländischer Konzerne den politischen und gesellschaftlichen Wandel in China.

Lanxess-Chef Axel Heitmann. (Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Heitmann, warum versprühen Sie so viel Optimismus?

Heitmann: Wir haben die Wettbewerbsfähigkeit von Lanxess in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert. Das zeigt sich auch in den Zahlen: 13 Quartale in Folge hat sich unsere Profitabilität verbessert.

SZ: Und trotzdem machen Sie mit jedem Euro Umsatz nur zwölf Cent Gewinn. Die Konkurrenz ist da besser.

Heitmann: Wir wollen noch in diesem Jahr das Niveau des Wettbewerbs erreichen. Ein Ziel, das wir ursprünglich für das Jahr 2009 vorgesehen hatten. Deshalb werden wir auch der Hauptversammlung eine Vervierfachung der Dividende vorschlagen.

SZ: Viele fürchten, der weltweite Chemieboom könnte bald vorbei sein.

Heitmann: Sicherlich sind die Anforderungen und Risiken der weltwirtschaftlichen Entwicklung gerade in jüngster Zeit deutlich größer geworden. Als wir mit Lanxess gestartet sind, notierte das Barrel Rohöl bei 30 US-Dollar und der Dollar selbst notierte bei 79 Euro-Cents. Das hat sich völlig verändert. Hinzu kommen neue Belastungen: Die Kreditkrise, der Anstieg der Preise für andere Rohstoffe, die veränderten Währungsrelationen und ein Nachlassen des Wachstums im nordamerikanischen Raum...

SZ: ...und trifft Sie denn nicht gerade die permanente Erhöhung der Rohstoffpreise massiv?

Heitmann: In Bezug auf die Rohstoffpreissteigerung haben wir seit Unternehmensgründung eine ganz konsequente Strategie verfolgt: Wir geben gestiegene Importkosten zeitnah in die Märkte weiter. Unser Rohstoffbedarf ist in den letzten drei Jahren um 60 Prozent gestiegen und gleichzeitig konnten wir unsere Preise um etwa den gleichen Betrag anheben. Zudem sehen wir, dass unsere Fokussierung auf teure Produkte vom Markt gut angenommen wird. In verschiedenen Geschäftsbereichen sind wir sogar ausverkauft und gezwungen, Ware zuzuteilen.

SZ: Die Krise in den USA und der starke Euro bereiten Ihnen keine Sorgen?

Heitmann: Wir haben mehr als 40 Prozent unseres Dollar-Geschäfts abgesichert. Die langfristige Strategie ist jedoch, im Rahmen der Globalisierung unserer Aktivitäten mehr und mehr Kosten im Dollar-Raum anzusiedeln.

SZ: In der Chemieindustrie wurde eine Lohnerhöhung von 4,4 Prozent ausgehandelt. Können Sie damit leben?

Heitmann: Das liegt am oberen Ende dessen, was vertretbar ist.

SZ: Lanxess ist ein zyklischer Wert - eine Verlangsamung der Weltwirtschaft könnte Ihr Unternehmen daher mehr als andere treffen.

Heitmann: Ich möchte Sie korrigieren. Mehr als die Hälfte unseres Geschäftsportfolios ist nicht-zyklisch. Wir haben die letzten drei Jahre intensiv genutzt, um uns auf Nachfrageschwankungen vorzubereiten.

SZ: Sie haben zwei Jahre in Schanghai gelebt. Und als Sie vor fünf Jahren die Nachricht von Ihrer Berufung zum Lanxess-Chef erhielten, waren Sie gerade in Tibet. Was denken Sie über die momentane Tibet-Debatte in Deutschland?

Heitmann: China unternimmt große Anstrengungen, sich zu öffnen und sich in die internationalen Märkten zu integrieren. Dazu gehören die ganz prominenten Ereignisse wie die Olympischen Spiele und die Expo. Die Industrie leistet ebenfalls einen ganz wesentlichen Beitrag, um dem Land zu helfen, sich immer weiter zu öffnen - so auch Lanxess. Und auch ich selbst nutze dabei meine persönlichen Erfahrungen und Kontakte.

SZ: Reicht das?

Heitmann: Für den interkulturellen Austausch kann man meines Erachtens nie genug tun. Nehmen Sie Lanxess: Eine ganze Reihe chinesischer Nachwuchsführungskräfte befindet sich in unserem Konzern an verschiedenen Stellen in Ausbildung. Wenn die wieder in ihre Heimat zurückkehren, werden sie westliche Standards, Prinzipien der Unternehmensführung und Technologien einbringen. Das wird dazu beitragen, dass sich dieses Land weiterentwickelt und dabei auch westliche Werte aufnimmt.

Lesen Sie im zweiten Teil, was Axel Heitmann über die Befürchtung denkt, ein asiatischer Staatsfonds könnte bei Lanxess einsteigen.

SZ: Viele westliche Firmen sagen das schon lange. Doch bisher hat diese Taktik nicht funktioniert, denn politisch hat sich in China ja nur wenig verbessert.

Heitmann: Mein subjektiver Eindruck und auch die Zahlen sprechen ein anderes Bild. Wir erleben heute ein China, das sich enorm weiterentwickelt hat. Es hat in den letzten Jahrzehnten sehr große Herausforderungen gemeistert, die manches andere asiatische Land nicht bestanden hat. Dazu gehören ganz grundlegende Dinge wie Ernährung oder Menschen aus der Armut herauszuführen. In China lebt heute nur noch ein kleiner Teil der Menschen unter der Armutsgrenze. Wenn Sie hier über das Land fahren, sehen Sie, dass sich die Infrastruktur und der Lebensstandard permanent verbessern.

SZ: Das klingt, als hätten Sie kein Verständnis für die Debatten in Deutschland.

Heitmann: Grundsätzlich ist meine Vorstellung, dass solche großen Fragen im konstruktiven politischen Dialog diskutiert werden sollen.

SZ: Wie wichtig ist Asien für Lanxess?

Heitmann: Asiens Anteil an unserem weltweiten Geschäft lag vor drei Jahren noch bei 14 Prozent und liegt heute bereits bei 18 bis 19 Prozent.

SZ: Vor einem Jahr haben Sie erfolglos versucht, Degussa zu übernehmen. Seitdem klingen Sie viel defensiver.

Heitmann: Wir haben ja vor einigen Wochen erst die Übernahme des größten brasilianischen Kautschukherstellers erfolgreich abgeschlossen. Derzeit sehe ich aus mehreren Gründen weitere lohnende Übernahmeziele eher in mittleren Größenordnungen. Vor allem wollen wir aber bestehende Standorte stärken, ganz besonders unsere deutschen. Nachdem wir weltweit in den nächsten zweieinhalb Jahren eine Milliarde Euro investieren werden, geht eine halbe Milliarde in die Wettbewerbsfähigkeit unserer deutschen Fabriken.

SZ: Hundert Prozent Ihrer Aktien befinden sich im Streubesitz. Was macht Sie so sicher, dass Lanxess nicht selbst übernommen wird?

Heitmann: Übernahmeschutz ist nicht Bestandteil unserer täglichen und strategischen Überlegungen. Im Prinzip ist kein Unternehmen auf der Welt vor Übernahmen geschützt. Profitables Wachstum ist der beste Übernahmeschutz.

SZ: In den vergangenen Wochen gab es Berichte, dass sich die asiatischen Staatsfonds für Ihr Unternehmen interessieren.

Heitmann: Mit der veränderten Struktur unseres Unternehmens hat sich auch unsere Aktionärsstruktur verändert. Während wir in der Startphase einen sehr hohen Anteil von angelsächsischen Hedge-Fonds hatten, hat sich die Aktionärsstruktur hin zu langfristigen, wertorientierten Anteilseignern verändert. Durch diese Verschiebung können wir auch für Investments aus dem Bereich der Staatsfonds interessant werden.

SZ: Ist Ihnen das recht?

Heitmann: Wir sind grundsätzlich für alle Investoren offen, die an einer langfristigen Entwicklung von Lanxess interessiert sind und sich an die deutschen Spielregeln der Unternehmensführung halten.

SZ: Warum war es eigentlich nötig, Lanxess aus Bayer herauszulösen, um die Firma wieder fit zu machen?

Heitmann: Ich sehe dies als Win-win-Lösung, sowohl für Bayer als auch für Lanxess. Bayer kann sich seit der Trennung auf die eigene strategische Ausrichtung mit vollem Engagement konzentrieren, das Gleiche gilt für uns. Wir haben gezeigt, dass mit einer neuen Mannschaft, mit einer neuen Struktur, mit einer neuen Unternehmenskultur und natürlich auch einem Tick Optimismus aus Randgeschäften Kerngeschäfte werden können.

© SZ vom 06.05.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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