Kuoni:Herz zu verkaufen

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Kuoni schickt wohlhabende Reisende auch gerne in teure Hotels wie die Sieben-Sterne-Herberge Burj Al Arab Hotel in Dubai. (Foto: Charles Croweell/Bloomberg)

Der Schweizer Reiseanbieter reicht sein Europageschäft an die Rewe Group weiter. Die Marke bleibt bestehen. Ob die Arbeitsplätze alle erhalten bleiben - nicht ganz so sicher.

Von charlotte theile, Zürich

Die erste Reise war übersichtlich. "Grosse Attraktion: Gesellschaftsreise nach dem Dolderpark zum Preis von Fr. 1.- pro Person." So stand es 1906 im Schaufenster des neu eröffneten Reisebüros der Gebrüder Kuoni. Der Reise zum Dolderpark - etwa zwei Kilometer von der Agentur entfernt - folgten bald weiter entfernte Destinationen: Eine Zahnradfahrt auf dem Üetliberg (immerhin am anderen Ende der Stadt), Lyon, Nizza, Marseille, 1909 dann sogar Ägypten. Am Montag, 22. Juli 2015, gab das Schweizer Traditionsunternehmen bekannt, dass es sein gesamtes europäisches Reiseveranstaltungsgeschäft verkaufen werde - an die deutsche Rewe Group. Deren Reisesparte, DER Touristik, übernimmt sämtliche Reiseveranstalter, Spezialisten und Reisebüros in der Schweiz, Großbritannien, Skandinavien, Finnland und den Benelux-Ländern.

Damit wechseln fast 2350 Mitarbeiter den Arbeitgeber - für die Kunden ändert sich dagegen auf den ersten Blick kaum etwas. Die besonders in der Schweiz sehr bekannte Marke Kuoni bleibt bestehen, das gleiche gilt für die skandinavische Tochter Apollo. Zum Kaufpreis und den Details der Vereinbarungen haben die Vertragspartner Stillschweigen vereinbart. Die verkauften Aktivitäten erzielten im Jahr 2014 einen Nettoerlös von zwei Milliarden Franken (etwa 1,9 Milliarden Euro).

Auf seinem Schweizer Heimatmarkt hat Kuoni mit 80 Reisebüros und mehr als 1000 Mitarbeitern ein vergleichsweise dichtes Netz aufgebaut. Dass Kuoni stets für individuelle Beratung und ein eher gehobenes Preisniveau stand, liegt auch an der langen Geschichte der Agentur: 1909 konnten sich ausschließlich wohlhabende Kunden eine Expedition zum Nil für 2750 Franken leisten. Der Preis lag deutlich über dem, was ein gewöhnlicher Arbeiter im Jahr verdiente. Heute dagegen lassen sich Fernreisen eigenständig im Internet buchen. Die Margen für Reisebüros sind gering. Wer wie Kuoni auf einem kleinen Markt aktiv ist, kommt schnell in Schwierigkeiten. Auch deshalb kündigte der Schweizer Veranstalter im Januar überraschend an, sich aus dem Reisegeschäft zurückzuziehen. Bis Ende des Jahres wollte die Agentur die Märkte Skandinavien, die Schweiz, Großbritannien, die Benelux-Staaten, Indien und Hongkong verkaufen. Genau die Sparten, die die Firma groß gemacht hatten. "Kuoni verkauft sein Herz" oder "Bruch mit der Tradition" titelten die Schweizer Zeitungen.

Nun einigte man sich mit Rewe schon früher. Die "strategische Neuausrichtung" laufe "schneller als geplant", teilte Kuoni am Montag mit. Auch für Indien und Hongkong wolle man bald einen Käufer finden. Künftig wird Kuoni als Groß-Dienstleister für andere Touristiker und Gruppenreisende sein Geld verdienen. Auch die Visa-Beschaffung bleibt bei dem Traditionshaus. Hier dürften die Margen im Vergleich zum Tourismus-Geschäft deutlich größer sein.

Experten sehen in dem Deal vor allem einen Machtgewinn für Rewe: Der Konzern habe nun mehr Verhandlungsspielraum, könne als Einkäufer bessere Preise aushandeln und bekomme mit der Schweiz einen Markt hinzu, der zwar wenig Wachstumspotenzial, dafür aber einiges an Kaufkraft besitze. Zudem sei man sich räumlich und sprachlich nahe. Ob die jetzt verkauften Arbeitsplätze langfristig erhalten bleiben, ist dagegen fraglich.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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