Künstliche Märkte:35 von 40 Oscars richtig prognostiziert

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Über künstliche Märkte - wie die jetzt gestoppte Terror-Börse - sammeln inzwischen weltweit Politiker und Unternehmen Informationen.

Von Marc Hujer

(SZ vom 01.08.03) - Selten hat in den USA der Start einer Börse zu so viel Protesten geführt wie bei www.policyanalysismarket.org, der so genannten "Terror-Börse". Sie sollte dazu beitragen, das Vorhersagedilemma in der Nahostpolitik zu beheben und neue Informationen darüber sammeln, wie sicher die Regimes in Jordanien, der Türkei, Syrien oder Ägypten sind.

Bis zu 10.000 Abonnenten hätten auf ein langes Leben von Saddam Hussein wetten können, auf die politische Zukunft von König Abdullah oder das nächste Attentat auf Palästinenserführer Jassir Arafat - und die Geheimdienste, so heißt es, hätten aus den Kursschwankungen wertvolle Schlüsse gezogen.

"Handel mit dem Tod"

Doch dann sprach Oppositionsführer Tom Daschle vom "Handel mit dem Tod" und selbst Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz meinte, seinen Forschern sei wohl die Phantasie ein wenig durchgegangen.

Das US-Verteidigungsministerium hat das Projekt jedenfalls gestoppt, und das, obwohl es aus wissenschaftlicher Sicht alles andere als abwegig erschien.

Seit den achtziger Jahre behelfen sich Wirtschaft und Politik mit "prediction markets", künstlichen Märkten, die nicht zum Austausch von Waren und Dienstleistungen eingerichtet werden, sondern lediglich um Informationen zu gewinnen.

Wettervorhersagen

Heute werden mit diesen Märkten bereits Wahlen vorausgesagt, Erfolgschancen von Kandidaten getestet und Wettervorhersagen gemacht - meist mit größeren Erfolgen als bei herkömmlichen Prognosemethoden.

So erlaubten es im vergangenen Jahr die Informationen der Hollywood Stock Exchange über Kinofilme, 35 der 40 Oscars korrekt zu prognostizieren.

Der erste dieser künstlichen Märkte, die Iowa Electronics Market, wurde 1988 gegründet. Er erlaubt es, Anteile an Politikern zu "kaufen", die im kommenden Präsidentschaftswahlkampf eine Rolle spielen könnten, George W. Bush etwa oder Hillary Clinton. 1996 prognostizierte die Börse die deutliche Wahlniederlage von Bob Dole gegen Bill Clinton.

Wette auf den Tag des Sturzes

Inzwischen gibt es diese künstlichen Märkte überall. In Deutschland heißt eine vergleichbare Online-Börse Wahl$treet. In Irland handelt die Internetbörse TradeSports.com mit allen möglichen politischen Ereignissen, zuletzt zum Beispiel wurde sie bekannt, weil sie auf den Tag des Sturzes von Saddam Hussein wetten ließ.

Die Informationen, die Online-Börsen liefern, werden nicht nur von Politikern und Werbeagenturen, sondern auch von großen Unternehmen verwendet.

Der Computerkonzern Hewlett Packard, schrieb jüngst die Zeitschrift New Yorker, setzte künstliche Märkte sogar bei seiner Verkaufsplanung ein. Mitarbeiter sollten dazu für eine begrenzte Zeit fiktive Anteile kaufen, je nachdem wie sie die Verkaufszahlen einschätzten.

Nach drei Jahren hatten die Vorhersagen um 75 Prozent genauer gelegen als mit herkömmlichen Prognosemethoden.

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