Kritik an Brüssel:"Das ist das Ende des Euro-Paktes"

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Ginge es nach EU-Währungskommissar Joaquin Almunia, würden es künftig eine ganze Reihe von Ausnahmen erlauben, die Defizitgrenzen im Euro-Raum zu überschreiten. Wirtschaftsexperten und Politiker aller Couleur kritisieren diese Pläne.

Von Alexander Hagelüken

EU-Währungskommissar Joaquin Almunia hat in einer Reihe von Interviews deutlich gemacht, dass er den Defizitstaaten Deutschland und Frankreich noch weiter entgegenkommt als erwartet.

Die Regierungen in Paris und Berlin drängen darauf, die Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufzuweichen.

Wer - wie die beiden größten Euro-Mitglieder drei Mal hintereinander seit 2002 - eine höhere Budgetlücke produziert, soll sich auf eine ganze Reihe von Entschuldigungsgründe herausreden dürfen.

Hohe Geldbußen drohen

Auf diese Weise könnten Defizitsünder künftig Sanktionen entgehen, die der Stabilitätspakt vorschreibt. Deutschland und Frankreich drohen in den laufenden Strafverfahren wegen übermäßiger Defizite im Extremfall Geldbußen von bis zu zehn Milliarden Euro.

Almunia ist nun bereit, Staaten milder zu behandeln, die beispielsweise viel Geld für Bildung und Forschung ausgeben oder wie die Bundesrepublik Deutschland zu den Nettozahlern in den EU-Haushalt gehören. Auch Kosten für wirtschaftliche Strukturreformen etwa der Rentenversicherung sollen Ländern mit Budgetlücken von mehr als drei Prozent künftig entlastend angerechnet werden.

"Kriterien werden völlig verändert"

"Das bedeutet das faktische Ende des Stabilitätspaktes", kritisiert Winfried Fuest vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). "Der Sanktionsmechanismus soll zwar erhalten bleiben, aber die Kriterien werden völlig verändert."

Viele Euromitglieder verstießen wie die Bundesrepublik bereits ohnehin gegen den Pakt, der eine jährliche Budgetlücke von höchstens drei Prozent und einen Gesamtschuldenstand von höchstens 60 Prozent verlangt, sagt der Finanzexperte des arbeitgebernahen Forschungsinstituts.

"Offenbar reichen die bestehenden Vorschriften nicht aus, um den Pakt durchzusetzen. Wenn jetzt auch noch die Regeln aufgeweicht werden, wird der Stabilitätsanker entwertet."

"Schwacher Kommissar"

"Es ist verhängnisvoll, den Pakt aufzulockern", so Fuest weiter. "Die gegenwärtige Stärke des Euro ist vor allem eine Schwäche des Dollar. Langfristig wird die Währungsunion nicht ohne gemeinsame Sparregeln auskommen".

Der Euro etabliere sich internationale gerade als Reservewährung. "Das Vertrauen in Währung wird durch eine exorbitante Verschuldung aber nicht gefördert."

Auch der Europaabgeordnete Werner Langen (CDU) hält die derzeitige Euro-Stärke nicht für einen Beleg, dass die gemeinsame Währung von derzeit zwölf europäischen Staaten ohne einen wirksamen Stabilitätspakt auskommen kann.

"Das doppelte amerikanische Defizit in Haushalt und Handelsbilanz schwächt den Dollar und verdeckt damit die europäischen Strukturprobleme. Sobald die künstliche Dollar-Schwäche aufhört, wird sich zeigen, dass die Europäer ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben."

Der konservative Langen griff den sozialdemokratischen Währungskommissar frontal an. "Joaquin Almunia ist ein schwacher Kommissar." Sein ebenfalls sozialdemokratischer Vorgänger Pedro Solbes sei aus ganz anderem Holz geschnitzt gewesen und habe sich den großen Euro-Staaten Deutschland und Frankreich nicht so einfach gebeugt.

Baldige Reform des Paktes möglich

Almunias Ausnahmenkatalog wird zumindest teilweise auch vom amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Jean-Claude Juncker geteilt und könnte in eine baldige Reform des Paktes münden. "Wenn das kommt, kann man den Pakt vergessen", meint Langen.

Die grüne Haushaltsexpertin Heide Rühle äußerte Verständnis dafür, Länder mit hohen Forschungsausgaben milder zu behandeln. "Investive Ausgaben sollten gesondert betrachtet werden", fordert die Europaabgeordnete aus Deutschland. Rühle wandte sich aber dagegen, etwa die Beiträge von EU-Nettozahlern mit einem Bonus in der Haushaltskontrolle zu versehen.

"Die Reform des Paktes darf nicht in erster Linie darauf abzielen, den Defizitstaaten Deutschland und Frankreich zu helfen", kritisiert Rühle weiter. "Wenn man mit der Aufweichung der Regeln beginnt, ist es schwer, noch eine Grenze zu ziehen."

Es sei aber auffällig, dass sich die Verstöße von Deutschland und Frankreich gegen den Pakt bisher nicht negativ auf die Preissteigerung ausgewirkt hätten.

(SZ vom 8.1.2005)

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