Krisengipfel in Brüssel:Milch + Breitband = Kompromiss

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Berlin war über das geplante Konjunkturpaket der EU nicht glücklich - doch ein Geschenk an deutsche Bauern änderte die Lage.

C. Bolesch

EU-Gipfel haben ihre ganz eigene Dramaturgie. Manchmal stehen Fragen im Mittelpunkt, die ziemlich komisch klingen. Diesmal hieß eine Frage: "Was hat Milch mit Breitband zu tun?" Als ein Diplomat genervt die Antwort gab: "Beides fließt irgendwie", da war schon deutlich, dass sich die EU wieder einmal mit einem Problem beschäftigen würde, das in der Außenwelt kaum jemand versteht, das aber für den inneren Gefühlshaushalt und das Selbstverständnis dieser europäischen Gemeinschaft umso wichtiger ist.

Gruppenbild mit Damen: In Brüssel ging es um fünf Milliarden Euro. (Foto: Foto: AFP)

Es ging um fünf Milliarden Euro. Dieses Geld sollte nach dem Willen von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bereitgestellt werden, um erstmals ein richtiges europäisches Konjunkturprogramm auf den Weg zu bringen. Neben der weit umfangreicheren Konjunkturhilfe in Höhe von insgesamt 200 Milliarden Euro, die jetzt zur Bekämpfung der Finanzkrise aus den einzelnen nationalen Etats abgezweigt wird, sollten die fünf Milliarden aus dem EU-Haushalt kommen und grenzüberschreitend Energie-und Breitbandnetze finanzieren.

Eine lumpige Summe, sollte man meinen, angesichts der atemberaubenden Geldmengen, die zur Zeit weltweit auf die Finanzmärkte geworfen werden. Doch 27 EU-Regierungen haben sich über dieses Peanuts-Programm monatelang gestritten. Denn es ging nie nur um Geld. Es ging immer auch um Prinzipien, um Symbole - und um Macht.

Für Kommissionspräsident Barroso waren die fünf Milliarden ein Prestigeobjekt. Er wollte in seinem Büro in Brüssel nicht einfach nur nationale Programme addieren. Er wollte eine eigene Brüsseler Konjunkturspritze setzen und zu diesem Zweck freie Mittel aus dem EU-Haushalt zusammenhäufeln, um die Infrastruktur zu stärken. Gasnetze, Verbindungsleitungen, Terminals - eifrig meldeten nach dem ersten Aufruf viele Staaten Dutzende von Projekten an.

Bundesregierung "not amused"

Einigen Regierungen aber missfiel dieses Manöver. Auch die Bundesregierung war "not amused". Man signalisierte Barroso: "Schuster, bleib bei Deinen Leisten. Es ist unser Geld, das Du verwaltest." Wenn Geld im EU-Etat übrig bleibt, fließt es in die Mitgliedstaaten zurück. Auf dieses Prinzip legte vor allem die Bundesregierung Wert. Sie zahlt am meisten in den EU-Haushalt ein. In Berlin fand man Barrosos Liste der Energie-Investitionen zudem äußerst mangelhaft: Sie sei ein Sammelsurium von Projekten, deren Bau zum Teil so spät geplant sei, dass von einer aktuellen Belebung der Konjunktur gar keine Rede sein könne.

Barroso wusste also, dass er präsentieren musste, was die Deutschen besänftigen würde. Weil Angela Merkel auf dem Dezember-Gipfel für die Breitband-Verkabelung ländlicher Räume geworben hatte, schlug er vor, einen Teil der fünf Milliarden genau dafür einzusetzen. In der Bundesregierung war man über dieses neue Manöver verdutzt. Denn eigentlich hatte man nicht an Geld gedacht, sondern an eine Lockerung der Wettbewerbsregeln. Nun aber hatte man es mit einem Konjunkturprogramm zu tun, das Gelder für Breitband zur Verfügung stellte, "die nie einer erbeten hat", so ein mürrischer Kommentar aus deutschen Regierungskreisen.

Noch einen Tag vor dem EU-Gipfel schien die Lage völlig unübersichtlich zu sein. Die Fünf-Milliarden-Euro-Liste stand auf der Kippe. "Entweder das Problem wird jetzt gelöst - oder es verschwindet", lautete eine kühne Prognose. Innerhalb kürzester Zeit aber ist der EU dann wieder einer ihrer berühmten Kompromisse gelungen. Der Ausweg lag in der Beantwortung der Frage: Was müssen die Deutschen bekommen, wenn sie zustimmen sollen?

Vom Breitbandkabel in "ländlichen Räumen" war es nicht weit zur Misere der Bauern, die kaum noch Geld für ihre Milch erhalten. Händeringend versucht die Bundesregierung, deren Zorn zu besänftigen. So gab der EU-Gipfel insgesamt eine Milliarde Euro für die Verkabelung zur Verwendung frei - wer will, kann seinen nationalen Anteil auch den Milchbauern zustecken.

"Deutschland konnte seine Ziele durchsetzen", sagte eine zufriedene Angela Merkel. Es werden nur Energieprojekte finanziert, die bis Ende 2010 baureif sind. Für die Telekom zeichnen sich bessere Wettbewerbsregeln ab - und für die Milchbauern gibt es eine weitere Nothilfe in Höhe von 90 Millionen Euro.

© SZ vom 21./22.03.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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