Kredite:Pizza Draghi

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Steht mit seiner Niedrigzinspolitik zunehmend in der Kritik der Banken: EZB-Chef Mario Draghi im Sucher einer Fernsehkamera. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Für Banken ist die Darlehensvergabe essenziell, doch Firmen nutzen das Angebot derzeit wenig.

Von Norbert Hofmann

Kurz vor Faschingsende bot die Sparkasse Niederbayern-Mitte in ihrer Hauptstelle in Straubing eine nach dem EZB-Präsidenten benannte "Pizza Draghi" zum Verkauf an. Es war eine scherzhafte Reaktion auf Empfehlungen der Notenbank an Geldhäuser, sich nicht allzu abhängig vom Zinsgeschäft zu machen. Die Umwandlung in eine Pizzeria ist zwar nicht geplant. Hinter der Aktion stand jedoch ein gewisser Ärger über die Europäische Zentralbank (EZB). Denn sich vom Zinsgeschäft zu lösen, ist für Banken und Sparkassen nahezu unmöglich. Das gilt auch für die Firmenkundenbeziehungen hierzulande, wo der Kredit neben den einbehaltenen Gewinnen der wichtigste Pfeiler der Finanzierung ist.

Gleichzeitig steht er für ein Geschäftsfeld, in dem Banken schneller Volumen und trotz knapper Margen Erträge aufbauen können als im Privatkundengeschäft. "Auch wenn die Zinsspannen enger werden, tragen sie immer noch zur Deckung der Fixkosten etwa für die IT-Systeme und Mitarbeiter bei", sagt Max Leitterstorf, Junior-Professor an der WHU - Otto Beisheim School of Management.

"Firmenkredite sind für die Banken ein Türöffner, da sie den damit gewonnenen Kunden in der Folge auch mit provisionsbehafteten Dienstleistungen wie etwa Währungs- und Rohstoffabsicherungen zur Seite stehen können", sagt Leitterstorf. Der Kredit bleibt Anker und Dynamo für die Erträge. Allerdings gibt es derzeit nur wenig Interesse. Wegen der politischen Unsicherheiten angesichts Trump und Brexit investiert der Mittelstand eher zurückhaltend. Das bestätigt der im Januar leicht rückläufige Indikator der Geschäftserwartungen im KfW-Ifo-Mittelstandsbarometer. Zwar bewegt sich dieser Geschäftsklima-Index nach wie vor auf hohem Niveau. Nur: Viele Firmen verfügen dank seit Jahren gut laufender Geschäfte über genügend Kapitalreserven, um Maschinen oder Anlagen selbst zu finanzieren.

Die EZB-Bankenaufsicht befürchtet, dass Geldinstitute zu hohe Risiken eingehen

Finanziell nicht ganz so gut gepolsterte Unternehmen können in Zeiten einer stabilen Konjunktur zwar gute Geschäftsergebnisse präsentieren. Doch was ist, wenn die Wirtschaft nicht mehr brummt? Sie finden dann vielleicht keine Anschlussfinanzierungen oder schlittern sogar in die Insolvenz. Für die Geldgeber ist das allemal ein gefährliches Szenario. "Erst dann wird sich zeigen, ob alle Banken ihre Risikokosten verantwortungsvoll kalkuliert haben", warnt Martin Faust, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Die EZB-Bankenaufsicht sorgt sich bereits zunehmend, dass Banken auf der Suche nach mehr Profitabilität zu hohe Risiken eingehen. Diese Sorge gilt nicht nur den Ausfallraten, sondern auch den Folgen vielleicht wieder einmal höherer Zinsen. "Das kann zu ernsthaften Problemen führen, wenn die an Firmenkunden vergebenen Kredite nicht vollständig bis zum Laufzeitende refinanziert sind", warnt Faust. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass das Niedrigzinsniveau noch mindestens drei Jahre andauert. Und das, obwohl sich die Inflationsrate in Deutschland und Europa wieder der Zwei-Prozent-Marke nähert. EZB-Präsident Mario Draghi hat solche Veränderungen zwar oft genug als Kriterium für die Geldpolitik definiert. "Weil er aber vor allem die Erleichterung des Schuldenabbaus und Anreize für das Wirtschaftswachstum in der EU im Visier hat, wird er am Niedrigzins festhalten."

Aus Unternehmenssicht hat es dennoch Sinn, sich langfristig zu finanzieren. Der gehobene Mittelstand kann sich dabei mithilfe von Schuldscheindarlehen auch Zinsbindungen von sieben bis neun Jahren sichern. "Anders als bei einer Anleiheemission müssen Firmen bei der Begebung von Schuldscheindarlehen nicht zwangsläufig allen Anforderungen des Kapitalmarkts gerecht werden und etwa eine Rechnungslegung nach internationalen Vorschriften erstellen", sagt WHU-Professor Leitterstorf.

An Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung mangelt es auch kleineren Mittelständlern nicht. Für das seit drei Jahren wachsende Mobilien-Leasing meldete der Branchenverband BDL gerade wieder eine Verbesserung der Geschäftserwartungen. Auch der laufende Verkauf von Forderungen über Factoring ist im Aufwind. Nach Angaben des Bundesverbands Factoring für den Mittelstand (BFM) ist allein das Ankaufvolumen im Altbestand in 2016 um 19,4 Prozent gewachsen. Die Zahl der Kunden ist um 41 Prozent gestiegen. Einer der Gründe könnte darin liegen, dass Factoring nicht für Fremdkapital, sondern für die Umwandlungen von Forderungen in Eigenmittel steht. "Factoring passt damit in eine Zeit, in der die Unternehmen sich unabhängiger vom Bankkredit machen wollen", sagt BFM-Vorstand Volker Ernst. Die Firmen müssen dafür keine Sicherheiten hinterlegen. Besonders interessant ist dies für Betriebe, die öfter Liquiditätsengpässe haben und so auch Skonti besser nutzen können. Eine Studie des BFM belegt zudem, dass fast die Hälfte der befragten Firmen zunehmend strategisch plant. "Mit Leasing und Factoring als Ergänzung zum Kredit stellen sich die Unternehmen produktseitig breiter auf, gleichzeitig suchen sie eine feste Kundenbeziehung zu mindestens zwei oder mehr Banken", sagt Ernst.

Seitdem auch digitale Finanzierungsdienstleiser, kurz Fintechs genannt, Geld von privaten Anlegern und Banken an Firmen vermitteln, ist das Angebot noch einmal gewachsen. Über die Crowdfunding-Plattform Lendico etwa können sich viele kleine Privatanleger zur Kreditvergabe zusammenschließen. Über den elektronischen Kreditmarktplatz creditshelf gestellte Darlehensanfragen wiederum werden Investoren bei Auktionen angeboten. Ob sich diese Plattformen durchsetzen, wird sich zeigen. "Firmen mit guter Bonität können sich über die digitalen Plattformen eine Vielzahl von Angeboten zeitgleich einholen und sich so ein Stück weit unabhängiger machen", sagt Wissenschaftler Faust. Wer später in schlechten Zeiten aber Kapital benötigt, kann sich dann nicht mehr auf das Vertrauensverhältnis seiner Hausbank verlassen.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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