Krankenversicherung:Die Sollbruchstelle der Koalition

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Der geplante Einheitssatz zur Krankenversicherung könnte SPD und Union noch viel Streit einbringen. Auch die Länder wollen mitreden.

Andreas Hoffmann

Es geht nur um zwei Wörter, doch sie bergen Sprengstoff für die Koalition. Die Wörter finden sich in einem Antrag von Baden-Württemberg, mit dem die Landesregierung einen Punkt bei der geplanten Gesundheitsreform ändern will.

In der Vorlage, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, möchte Sozialministerin Monika Stolz (CDU) in dem Paragraphen 241 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB) ein "ohne" durch ein "mit" ersetzen, doch was ziemlich langweilig klingt, bietet Stoff für endlose Streitereien.

Manche von Union und SPD, wie die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann, sagen: "Das wird ein Dauerkonflikt werden." Ein anderer Koalitionär meint sogar: "Wenn SPD und Union eines Tages auseinandergehen wollen, dann könnte dieser Punkt ihre Sollbruchstelle werden."

Einheitlicher Beitragssatz

Starke Worte für den Paragraphen 241. Darin will Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ein wichtiges Detail der Reform festlegen: den einheitlichen Beitragssatz zur Krankenversicherung.

Kern der Reform ist bekanntlich ein Fonds, der das Geld zwischen den Kassen neu verteilen soll. Kommt eine Kasse mit den Zuweisungen nicht aus, soll sie eine Zusatzpauschale von bis zu 36 Euro im Monat erheben. Dabei sollen Arme aber nicht überfordert werden. Wirtschaftet eine Kasse hingegen gut, kann sie ihren Mitgliedern auch Boni zahlen.

Da künftig die Kassen ihr Geld vor allem aus dem Fonds erhalten, will Schmidt den Beitragssatz vereinheitlichen und selbst festlegen, per Rechtsverordnung. Erstmals möchte sie den Wert Ende 2008 für das Jahr 2009 vereinbaren, weil dann der Fonds seine Arbeit aufnehmen soll.

Diesen Plan will Schmidts Kollegin aus Baden-Württemberg durchkreuzen, unterstützt wird sie von Bayern, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Sie wollen mitreden, und so soll der Beitrag nur mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, wie es in dem Änderungsantrag heißt.

Der Grund: Die landesweit tätigen Kassen, wie Orts- oder Innungskrankenkassen, unterstehen den Länder. Sie genehmigen deren Beitragssätze und Haushalte und wollen diese Macht nicht einfach aufgeben.

Doch in Berlin stößt das Ansinnen auf wenig Gegenliebe. Reimann: "Ich halte davon wenig." Ähnlich sieht es ihr CDU-Kollege Jens Spahn: "Ich weiß nicht, ob sich die Länder mit dem Vorschlag einen Gefallen tun."

Doch es geht nicht nur um Streit zwischen Bund und Ländern. Der Einheitsbeitrag wird auch für Ärger zwischen Union und SPD sorgen. Beide Parteien verfolgen verschiedene Ziele. Die Sozialdemokraten wollen den Satz möglichst hoch veranschlagen, damit die Kassen genügend Geld aus dem Fonds erhalten und kaum Zusatzbeiträge erheben müssen.

Die "Kopfpauschale"

Diesen Zusatzbeitrag empfinden einige Genossen nämlich als Sieg der Union, die damit einen Teil ihres früheren Reformkonzepts durchgesetzt habe, was als "Kopfpauschale" bekannt geworden ist.

Die Union wiederum will den Einheitssatz niedrig ansetzen. Die Firmen würden nicht zu sehr belastet, dafür müssten die Kassen höhere Zusatzbeiträge erheben - was die Union noch als ihren Sieg im Gesundheitsstreit vermarkten könnte.

Carola Reimann ist daher unbehaglich, wenn sie an den weiteren Fortgang der Reform denkt: "Wir werden so den Streit um Kopfpauschale und Bürgerversicherung auf andere Weise immer weiter führen."

Vize-Kanzler Franz Müntefering sagte einmal, dass er in kurzer Zeit einen Konflikt in der Koalition auslösen könnte, sollte es nötig werden. Der Paragraph 241 bietet dazu den Anlass.

© SZ vom 24.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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