Krankenhäuser:Das große Schrumpfen

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Die Kliniken schlagen Alarm: Höhere Löhne für Ärzte, die Gesundheitsreform und die Änderung des Erstattungssystems verschärfen den Kostendruck auf Krankenhäuser. Vielen Kliniken droht das Aus.

Kristina Läsker

Das Krankenhaus St. Georg hat es nicht geschafft. Am 30. Juni dieses Jahres hat das 45-Betten-Haus dichtgemacht. Schweren Herzens hatte der Stadtrat von Furth im Wald im Frühjahr beschlossen, die Chirurgie- und Orthopädie-Klinik zu schließen, die Verluste waren nicht mehr länger tragbar.

Die Klinik St.Georg im Bayerischen Wald, nahe der tschechischen Grenze, ist ein Beispiel dafür, was vielen der 2104 deutschen Häuser droht. Mehr als ein Drittel aller Häuser zwischen Garmisch-Partenkirchen und Kiel hat im vergangenen Jahr Verluste gemacht. Das ergibt das "Krankenhaus Barometer 2007" der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).

Nur knapp 40Prozent der Häuser erzielten Gewinn. Der Kostendruck habe dazu geführt, dass seit 1997 etwa 150000 Arbeitsplätze, vor allem in der Pflege, abgebaut wurden. "Die Stimmung ist schlecht, und der Blick in die Zukunft ist düster", meint DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum.

Doch auch ohne die Klagen der Betroffenen ist klar: Das deutsche Krankenhauswesen befindet sich im Umbruch wie kaum eine andere Branche. Die meisten Kliniken haben sich längst daran gemacht, ihre teuren und verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Weil sonst Schließung, Verkauf oder Fusion drohen. Dennoch hat die Zahl der Hospitäler zuletzt abgenommen: Nach der Wende gab es bundesweit noch 2447 Kliniken, Ende 2006 waren es 343 weniger.

Nach Meinung vieler Experten ist das große Schrumpfen noch nicht beendet: Jedem dritten Krankenhaus droht laut einer Studie der Unternehmensberater von McKinsey das Aus - wenn es die Arbeitsabläufe nicht optimiert und Kosten senkt. Diese Einschätzung teilen andere: Bis 2020 wird nach Ansicht des Wettbewerbers Ernst & Young jede vierte Klinik schließen. Nur das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) ist etwas zuversichtlicher, es hält jede zehnte Klinik für bedroht.

Gestiegene Personalkosten machen sich bemerkbar

Auf den meisten Häusern lastet ein enormer Kostendruck, der seit Einführung der Fallpauschalen 2003 nochmals gestiegen ist. Stellte eine Klinik früher den Krankenkassen in Rechnung, wie viele Tage es einen Patienten versorgte, so gibt es heute einheitliche Erstattungssätze, etwa für eine Blinddarmoperation oder eine Herzkatheder-Untersuchung. Das neue System macht vor allem kleinen Häusern auf dem Land zu schaffen, die nicht voll ausgelastet sind.

Der wirtschaftliche Druck hat auch zugenommen, weil die Klinikärzte vor einem Jahr höhere Löhne durchsetzten. Bis zu zwei Drittel der Ausgaben in Krankenhäusern sind Personalkosten, weshalb höhere Gehälter auf die Bilanz durchschlagen. Ein weiteres Problem ist, dass Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) im Zuge der Gesundheitsreform eine Sanierungsabgabe der Kliniken an die Krankenkassen eingeführt hat. Von jeder Rechnung eines Krankenhauses dürfen die Kassen 0,5 Prozent einbehalten.

Trotz steigender Kosten hätten die Krankenhäuser also nur minimale Erlöszuwächse, moniert Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG). "Die Schere geht weiter auf."

Bleibt die Frage, auf wie wenige Krankenhäuser sich die Branche gesundschrumpfen darf, um die 17 Millionen Patienten pro Jahr in gleichbleibender Qualität zu versorgen. Verglichen mit anderen europäischen Industriestaaten ist Deutschland mit 6,4 Klinikbetten je 1000 Einwohner noch erheblich überversorgt. In Frankreich sind es nur 3,8 Betten, der Vorzeigesozialstaat Schweden hält nur 2,2 Betten pro 1000 Einwohner vor, ermittelte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Deutschland hält nicht nur mehr Betten bereit, die Deutschen verweilen darin auch länger: Obwohl die Liegezeit zuletzt auf 8,6 Tage gesunken ist, bleiben die Patienten länger auf Station als in den Nachbarländern, so die OECD. Obwohl die Deutschen nicht kränker sind.

McKinsey sieht sieht Einsparmöglichkeiten

"Wir haben noch zu viele Kapazitäten", bestätigt auch BKG-Chef Hasenbein. Allerdings lösten nicht belegte Betten keine hohen Zusatzkosten aus. Wer schlussfolgern würde, mit dem Abbau überflüssiger Betten ließen sich im gleichen Maße Kliniken schließen, verliere den Patienten aus dem Blick: "Wir müssen auf eine flächendeckende, bürgernahe Versorgung achten."

Die wichtigsten Hebel zum Sparen liegen eher darin, bei Einkäufen größere Rabatte auszuhandeln, die Verwaltung zu straffen und Abläufe zu verbessern. Gemeint sind unnötige Untersuchungen, lange Wartezeiten und schlecht abgestimmte Behandlungspfade.

"Viele Kliniken sind bei der Leistungserbringung nicht effizient", sagt McKinsey-Gesundheitsexperte Rainer Salfeld. Er glaubt, dass es drei Möglichkeiten gibt, wie Kliniken überleben können: Sie sollten sich auf Fachgebiete spezialisieren, in Verbünden mit anderen Kliniken arbeiten und mit niedergelassenen Ärzten kooperieren.

© SZ vom 18.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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