Kostensenkungsprogramm:Medizin für die württembergische Krankheit

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Die Traditionsmarke Mercedes produziert zwar sehr profitabel, bei der Kostenstruktur hat sich der Konkurrent BMW aber einen Vorteil erarbeitet. Im Stuttgarter Konzern betrachtet man das jetzt vereinbarte Kostensenkungsprogramm als Beitrag zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit.

Von Karl-Heinz Büschemann

Der Streit zwischen dem Management von DaimlerChrysler und den Arbeitnehmern dauerte fünf Wochen. Am Freitagmorgen gab Konzernchef Jürgen Schrempp eine Erklärung ab, die wie eine Siegesmeldung klang: Man habe nach harten Verhandlungen eine gute Lösung gefunden.

Die andere Seite war weniger zufrieden. Der oberste Belegschaftsvertreter Erich Klemm teilte mit: "Die Unternehmensleitung hat uns erhebliche Beiträge zur Kostensenkung abverlangt, die uns sehr weh tun." Den Hauptbeitrag zur Einsparung bringt eine "umfassende Neupositionierung der Entgeltstrukturen".

Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich nach Angaben des Unternehmens eine dauerhafte Gehaltssenkung. Der Betriebsrat sagt dagegen: Kein Mitarbeiter werde "weniger haben als vorher." Für neue Mitarbeiter gelte dagegen "eine niedrigere Entgeltlinie."

Auch werden Privilegien, welche die baden-württembergischen Mercedes-Arbeiter im Unterschied zu ihren Kollegen in Düsseldorf oder Bremen haben, reduziert. Die so genannte Steinkühler-Pause von fünf Minuten pro Stunde entfällt zum Teil: Ein Teil dieser Zeit wird in so genannte Qualifizierungstage umgewandelt, eine halbe Stunde pro Woche geht den Arbeitern verloren.

Hohe Aufschläge nicht angetastet

Die vergleichsweise hohen baden-württembergischen Aufschläge für die Spätschicht von zehn Prozent bereits mittags und von 30 Prozent für die Nachtschicht wurden nicht angetastet.

Es wurde auch vereinbart, dass Mercedes Dienstleistungen, die nichts mit der Produktion an sich zu tun haben, nicht mehr nach außen vergibt. Im Gegenzug soll in diesen Bereichen - so etwa in der Kantine oder beim Wachpersonal - die Arbeitszeit erhöht, vom Tarif der Metallindustrie abgekoppelt und bis zum 1. 7. 2007 auf 39 Wochenstunden angehoben werden.

Bei Forschung, Entwicklung und in der zentralen Planung, wo bisher nur 18 Prozent der Belegschaft mehr als 35 Stunden arbeiten durften, wird die 40-Stunden-Woche zur Regel. Die "Fesseln der 35-Stunden-Woche" seien durchtrennt, freute sich der DaimlerChrysler-Personalvorstand Günther Fleig nach der Einigung mit den Gewerkschaften.

Der Mercedes-Chef Hubbert hatte am 18. Juni die Diskussion um eine Verlängerung der Arbeitszeit bei Mercedes losgetreten, obwohl die Traditionsmarke noch sehr profitabel ist. Der deutsche Teil des transatlantischen Konzerns machte im vergangenen Jahr einen Gewinn von 3,1 Milliarden Euro und war der größte Gewinnbringer.

Hubbert war aber der Ansicht, bei Mercedes seien "einige tarifliche Abmachungen in Frage zu stellen." Vor allem im Werk Sindelfingen seien die stündlichen Pausen und die hohen Schichtzuschläge zu streichen.

Ein paar Tage zuvor war eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey durch die Medien gegangen, wonach Mercedes 10.000 Arbeitsplätze zu viel habe. Der Betriebsrat reagierte darauf mit den Worten: "Wir lassen uns nicht erpressen."

Der Streit eskalierte. Das Unternehmen verlangte Einsparungen von 500 Millionen Euro pro Jahr, andernfalls werde man Teile der Produktion der C-Klasse, die in Sindelfingen gebaut wird, in das Werk Bremen verlagern, wo es die Steinkühler-Pausen und die hohen Schichtzuschläge nicht gebe.

Mercedes-Chef Jürgen Hubbert kreierte das Wort von der "baden-württembergischen Krankheit", das ihm viel Kritik von der Belegschaft einbrachte und die Gewerkschaft provozierte. Die IG Metall verlangte durch ihren Vizechef Berthold Huber, das Sparziel aufzugeben. "Anders wird es nicht gehen", hatte Huber am vergangenen Dienstag in München gesagt.

Durch die Einigung bei DaimlerChrysler auf ein Sparpaket sind laut Gewerkschaft aber auch bis 2012 etwa 18.000 Arbeitsplätze und Einkommen an den Standorten in Bremen und Hamburg gesichert.

Hoffnung auf Ruhe

Besonders positiv ist dabei nach Einschätzung des Bezirksleiters der IG Metall Küste, Frank Teichmüller, die Einigung darüber, dass nicht in laufende Tarifverträge eingegriffen werde. Er hoffe nun, dass damit endlich Ruhe in die "Orgie der Verzichtsforderungen" komme, sagte Teichmüller am Freitag in Hamburg.

Bei DaimlerChrysler steigt seit einiger Zeit der Druck auf das Management, die Kosten zu senken. Ein Grund dafür ist, dass die Kostenstruktur bei Mercedes ungünstiger ist als beim Konkurrenten BMW, der pro Jahr etwa gleich viel Autos herstellt, aber profitabler ist.

Die Mercedes Car Group baut mit etwa 104.000 Mitarbeitern pro Jahr 1,1 Millionen Fahrzeuge der Marken Mercedes, Smart und Maybach. BMW schafft etwa die gleiche Zahl von Fahrzeugen der Marken BMW, Mini und Rolls Royce mit 96.000 Mitarbeitern.

Nach Berechnungen von Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft in Gelsenkirchen, produziert Mercedes um etwa 500 Euro pro Auto teurer.

Vor einigen Wochen hatte deshalb auch das DaimlerChrysler-Vorstandsmitglied Wolfgang Bernhard für Ärger im Unternehmen gesorgt. Der 43-Jährige, der zuletzt als zweiter Mann bei der Daimler-Tochter Chrysler in den USA die Sanierung vorantrieb, sollte am 1. Mai Nachfolger des Mercedes-Chefs Jürgen Hubbert werden, der in Pension gehen sollte.

Bernhard hatte geäußert, Mercedes sei ein Sanierungsfall, in dem Blut fließen müsse. Daraufhin kam es zum Eklat mit den Gewerkschaften. Konzernchef Schrempp teilte mit, Bernhard werde seinen neuen Posten bei Mercedes nicht antreten. Hubbert, der am heutigen Samstag 65 Jahre alt wird, bleibt jetzt noch bis zum April 2005 im Amt.

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