Korruptionsverdacht:Parlament prüft Finanzskandal um Stellenbörse

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Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, muss vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages aussagen. Die Opposition wirft Wirtschaftsminister Clement die Verletzung seiner Aufsichtspflicht vor.

Von Robert Jacobi

In der Affäre um den Internet-Stellenmarkt der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat die Opposition Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) am Freitag vorgeworfen, seine Rechtsaufsicht vernachlässigt zu haben.

Der Virtuelle Arbeitsmarkt beschäftigt jetzt auch das Parlament. (Foto: Foto: ddp)

"Wenn er nicht in der Lage ist, die größte Bundesbehörde in Ordnung zu bringen, frage ich mich, wozu wir diesen Minister brauchen", sagte der FDP-Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel. Schon im November habe er Clements Staatssekretär Gerd Andres auf die hohen Kosten für die Online-Jobbörse hingewiesen. Dieser habe die Bedenken "in seiner unnachahmlichen Arroganz beiseite gewischt".

CSU-Arbeitsmarktsprecher Johannes Singhammer sagte, Clement dürfe "spätestens jetzt die organisierte Verweigerung der Rechtsaufsicht nicht mehr fortsetzen".

Auch Regierungsparteien für Vorladung

Auch auf Antrag der Regierungsparteien soll der BA-Vorstand schon am Mittwoch den Sachverhalt im Wirtschaftsausschuss erläutern. "Entweder ist dieser Vorstand systematisch von den eigenen Leuten getäuscht worden, oder das Controlling der BA verdient seinen Namen nicht", sagte der Ausschussvorsitzende Rainer Wend (SPD).

Die Politik müsse auf eine schnelle Aufklärung drängen, dabei dürfe niemand "geschützt" werden. Jegliches Vertrauen werde sonst zerstört. Schon jetzt verzögere sich der Umbauprozess der BA durch die Affäre.

Anders als die Opposition sieht Wend keinen Anlass, auch Clement vor den Ausschuss zu laden. Eine Sprecherin des Ministers sagte, wenn der Ausschuss Clement befragen wolle, "wird er sicher antworten".

Das Ministerium wolle einen Bericht der BA-Innenrevision abwarten, der dem Verwaltungsrat in der kommenden Woche vorliegen soll. "Wir beobachten die Vorgänge sehr genau", sagte die Sprecherin. Behördenchef Frank-Jürgen Weise habe das Vertrauen der Bundesregierung.

Zuvor für Finanzen zuständig

Weise war unter Amtsvorgänger Florian Gerster für Finanzen und Controlling zuständig, sein Vorstandskollege Heinrich Alt für die Umsetzung des Stellenportals im Internet.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bestätigte, dass sie auf Hinweis der BA ein Vorermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue begonnen habe.

Eine Risikoanalyse hatte ergeben, dass die Kosten für das Internetportal bis zum Jahr 2008 auf 165 Millionen Euro steigen könnten. Ursprünglich hatte die BA den Auftrag für 65 Millionen Euro an die Unternehmensberatung Accenture vergeben.

Vergaberecht

Bei der Erweiterung des Auftragsvolumens wurde laut Weise möglicherweise das Vergaberecht verletzt. Dies überprüft der Bundesrechnungshof. Weise hat Projektleiter Jürgen Koch zwar von seiner Aufgabe entbunden, als Beamter bleibt Koch aber im Dienst der BA. "Es gibt keinen konkreten Verdacht gegen Herrn Koch wegen individuellen Fehlverhaltens", sagte eine BA-Sprecherin.

Sie trat auch Berichten entgegen, die BA wolle ihre Hauptstadtvertretung schließen. Allerdings werde geprüft, die Büros in das frühere Landesarbeitsamt in Westberlin zu verlegen. Das Hauptstadtbüro kostet knapp 500.000 Euro im Jahr.

© SZ vom 28.02.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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