Korruption weltweit:Geschäftsabschluss dank Geheimdienst

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Die schwarzen Kassen bei Siemens lösen einen Sturm der Entrüstung aus. Doch Bestechung ist kein exklusives Siemens-Problem: Nur etwa fünf Prozent aller Korruptionsfälle in Deutschland fliegen auf. Auch im Ausland wird mit mit allen Mitteln gekämpft - inklusive Geheimdienst.

Paul Trummer

Zahlungen in Athen, Bestechung in Nigeria, Schwarzgeldkonten in der Schweiz und Österreich: Die schwarzen Kassen bei Siemens lösten einen Sturm der Entrüstung aus. Eine deutsche Firma bezahlt, um an Aufträge zu kommen. Unethisches Verhalten, das der Siemens-Vorstand "lückenlos aufklären" will. Doch Bestechung existiert nicht zum Gaudium der Manager.

Nur fünf Prozent der Korruption in Deutschland wird aufgeklärt, schätzen Experten. (Foto: Foto: ddp)

Beim Namen Siemens denken viele noch immer an Haushaltselektronik wie Telefone oder Waschmaschinen. Doch schon seit geraumer Zeit ist Siemens nicht mehr der Gemischtwarenhandel der Elektroindustrie, sondern ein international operierender Konzern, der sich vor allem als Infrastruktur-Anbieter in weiten Teilen dieser Welt positioniert.

Auftrags-Boom in kritischem Umfeld

Und der Großkonzern verzeichnet gerade in jenen Ländern boomendes Wachstum, in denen die Korruption blüht. Auftragseingänge aus der Aufschwungsregion Asien legten bei Siemens um 26 Prozent zu, jene aus Afrika, dem Mittleren Osten und Russland um plus 35 Prozent.

Dabei geht es um Millionenbeträge für einzelne Aufträge: Vor kurzem verkündete der Großkonzern den Zuschlag für einen Großauftrage in Saudi-Arabien. Die prozesstechnische Ausrüstung für eine Stahlanlage solle "made in Germany" sein. Kostenpunkt: 100 Millionen Euro.

Wer zum Gebrauchtwarenhändler geht, versucht, den Preis nach unten zu drücken. So ähnlich könnte man sich auch Vertragsverhandlungen mit staatlichen Stellen um Mautabrechnungssysteme, Telefonanlagen für Behörden oder Kraftwerksausrüstung vorstellen. Mit einem Unterschied: Es geht um viel mehr Geld.

Nachrichtendienste als Konkurrenzvorteil

Im Kampf um die Millionenaufträge weht den Siemens-Verhandlern eine steife Brise ins Gesicht: "Die Amerikaner setzen ihre Nachrichtendienste ein, um Aufträge zu bekommen, die Franzosen schalten ihre Botschaften ein - und was machen wir?" ereiferte sich zuletzt ein Siemens-Manager gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Als besonders korrupt gelten Behörden und Unternehmen in Russland. Dort müssten Firmenchefs circa sieben Prozent des Umsatzes pro Jahr an korrupte Banken abgeben, schätzt nach einem Bericht der Financial Times Deutschland das auf Korruption spezialisierte Moskauer Institut Indem. Und ein deutscher Investor sagte der Zeitung: "Wir buchen die Schmiergeldzahlungen als Beratungshonorare, Spenden oder andere Dienstleistungen ab."

Kleine "Gefälligkeiten"

Doch nicht immer handelt es sich um "blanke" Korruption, also Bargeldzahlungen gegen Aufträge. Kleine Gefälligkeiten wie Stipendien für das Auslandsstudium eines Neffen, Geschäftsreisen in die Karibik oder auch politischer Druck werden oftmals eingesetzt, um Aufträge zu ergattern.

Darauf angesprochen, meint Peter Blomberg, stellvertretender Vorsitzender der deutschen Sektion von Transparency International zu sueddeutsche.de: "Neben der blanken Korruption gibt es auch subtilere Mittel der Beeinflussung. Es ist ja bekannt, dass unsere amerikanischen Freunde nicht kleinmütig mit politischer Sympathie oder Druck auf Länder und Unternehmen sind".

Doch auch die Franzosen sollen nicht zimperlich sein bei der Gewinnung von Aufträgen. Insider berichten von einem Fall, an dem sich ein großes französisches Unternehmen im Rennen um einen großen Infrastrukturauftrag gegen den deutschen Konkurrenten durchgesetzt hätte. Grund: Der französische Geheimdienst hatte die Auftragsverhandlungen abgehört.

Nur fünf Prozent der in Deutschland getätigten Korruption fliegt auf, schätzen die Anti-Korruptionsexperten von Transparency International. Und diese Aufklärungsrate läge über dem internationalen Schnitt, so Blomberg. "Wir haben keinen Grund zur Annahme, dass in Regionen, in denen Korruption weiter verbreitet ist als in Deutschland, Korruption häufiger entdeckt wird."

Auf bekannte Korruptionspraktiken der deutschen Konkurrenz angesprochen, reagiert man beim Bundesverband der deutschen Industrie extrem zurückhaltend.

Auf Anfrage von sueddeutsche.de meint deren Rechtsexpertin Sigrid Hintzen lediglich: "Dazu kann ich leider nichts sagen. Allerdings ist ja bekannt, dass beispielsweise in Arabien oder Afrika andere Anschauungen zu diesem Thema existieren." Auch in China grassiere die Korruption - obwohl diese dort mit der Todesstrafe bedroht sei.

Wichtige Exportgeschäfte

In Zeiten, in denen zuhause der Absatzmarkt bröckelt, werden Exportgeschäfte immer wichtiger. Da kann die Verlockung für manchen Unternehmer groß sein, sich durch Zahlungen an Entscheider Großaufträge zu sichern und so seinem Unternehmen Arbeitsplatzabbau, Restrukturierungen und negative Presse zu ersparen.

Dieses Argument allerdings bringt Peter Blomberg von Transparency auf die Palme: "Das Argument, dass mit durch Korruption erzielten Aufträgen Arbeitsplätze gerettet werden, lassen wir nicht gelten. Durch Korruption werden gleichzeitig die Arbeitsplätze der integren Unternehmen gefährdet. Korruption schafft immer Opfer, und schließlich muss das Geld ja irgendwo herkommen."

Wo es herkommt, erklärt er im Anschluss gleich selbst: "Zumeist werden bei den internationalen Riesenprojekten einfach ein paar Millionen Euro Bestechungsgeld in der Kalkulation versteckt und so weiterverrechnet. Doch auch die Lieferung einer schlechteren Qualität beim gleichen Preis ist üblich."

Gentleman Agreement gegen Korruption

Dass dagegen etwas unternommen werden muss, sind sich alle einig. Der BDI hat zu diesem Zweck einen Verhaltensratgeber für Unternehmer herausgegeben. Dieser sei allerdings sehr allgemein gehalten, so die Rechtsexpertin.

Konkretere Maßnahmen schlägt hingegen Tranparency vor. Zur Bekämpfung fordert die Organisation bei Großaufträgen eine Art "Gentleman Agreement" der bietenden Parteien vor der Angebotslegung, in denen sich die Bieter durch neutrales Monitoring und vor allem hohe Strafzahlungen einen korruptionsfreien Wettbewerb zusichern.

Derzeit werde dieses Verfahren aber nur in einigen wenigen Ländern angewandt. Das könnte sich mit dem Auffliegen der Siemens-Praktiken ändern. "Jede vor Gericht gebrachte Korruption erhöht die Sensibilität für dieses Thema und hat eine abschreckende Wirkung", so Blomberg.

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