Kopfpauschale:Entlastung für den Arbeitsmarkt

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Die von SPD und CDU im Juli gemeinsam beschlossene Gesundheitsreform brachte den Stein ins Rollen: Schon kurz nach der Verabschiedung des überparteilichen Kompromisspakets war klar, dass weitere Reformen notwendig sind. Wurde dazu zunächst das Konzept der Bürgerversicherung ins Gespräch gebracht, wird mit der sogenannten Kopfpauschale auch eine zweite Reform-Variante zunehmend wahrgenommen.

Die Kopfpauschale stellt ein recht einfaches Einnahmeinstrument dar, bei dem alle Erwachsenen - also beispielsweise auch die bis dato beitragsfrei mitversicherten Ehefrauen - unabhängig von ihrem Einkommen einen fixen Betrag berappen sollen. Nach Vorschlägen der von der Regierung eingesetzten Rürup-Kommission sollen dies etwa 200 Euro sein, während die Bürger nach dem Herzog-Papier der Union 264 Euro monatlich berappen sollen.

Umverteilung von unten nach oben

Der Haupteinwand gegen diesen Vorstoß lautet: Er entlastet obere Einkommen besonders, käme also einer Umverteilung von unten nach oben gleich. So spricht sich beispielsweise der SPD-Politiker Klaus Kirschner, Vorsitzender des Bundestags-Gesundheitsausschusses vehement gegen die Kopfpauschale aus: "Eine Kopfpauschale würde bedeuten, dass jeder die gleiche Pauschale zu leisten hat, das heißt, untere Einkommen werden unverhältnismäßig hoch belastet, höhere werden unverhältnismäßig entlastet, das halte ich auch für falsch."

Die Vorteile der Kopfpauschale für die Arbeitgeber liegen allerdings ebenfalls auf der Hand. Ziel dieses Konzeptes ist es, die Arbeitgeber aus der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung zu entlassen.

Das klingt zunächst nach alleiniger Begünstigung der Arbeitgeber, die in dieser Einseitigkeit womöglich aber gar nicht gegeben ist. Denn wer einen Mitarbeiter einstellt, rechne die Sozialaufwendungen ohnehin zu seinen Lohnkosten hinzu. Der Arbeitgeber trenne aus seiner Unternehmersicht nicht zwischen Ausgaben für Lohn- und Krankenversicherung, sondern weise alle Ausgaben für seine Mitarbeiter als Lohnkosten aus, so das Argument.

Höhere Kassenbeiträge - weniger Jobs

Je höher aber die die Krankenversicherungsbeiträge anstiegen, desto teurer werde auch die Arbeit für den Unternehmer. Jeder Prozentpunkt an höheren Kassenbeiträgen vernichte Jobs, schaffe Anreize zur Verlagerung von Arbeit in Billiglohn-Länder oder zum Ersatz von Menschen durch Maschinen, mahnen die Anhänger der Kopfpauschale.

Deswegen plädieren sie dafür, Krankenversicherungen in Zukunft so zu betrachten wie etwa Haftpflichtversicherungen: Sie sind Sache des Einzelnen, nicht des Arbeitgebers. Der zahlt einen festen Lohn, und davon muss jeder Arbeiternehmer seine Ausgaben bestreiten.

So könnten Kostenexplosionen im Gesundheitswesen die Arbeitslosigkeit genauso wenig nach oben treiben wie das Diebstähle Wasser- oder Sturmschäden täten. Die Gesellschaft würde den Schaden nur noch einmal bezahlen: Durch höhere Prämien aber nicht durch höhere Arbeitslosigkeit.

Abgefedert

Die Krankenversicherungsprämien blieben dann künftig zwar am Arbeitnehmer hängen, räumen die Befürworter der Kopfpauschale ein. Doch das klinge schlimmer als es sei. Denn um den Systemübergang abzufedern, würden die Arbeitergeber am Stichtag der Umstellung die Löhne brutto um ihren bisherigen Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung erhöhen. Das gesamte Geld flösse also direkt an den Arbeitnehmer, während sich die Arbeitgeber fortan nicht mehr mit Versicherungen herumschlagen und die Verwaltungskosten senken könnten.

Der Arbeitnehmer aber bestreite mit seinem zusätzlichen Gehalt seine Prämie an die Kasse - wie jeder Privatversicherte. Am Tag der Umstellung stehe der Arbeitnehmer also gleich da. Die absehbaren Steigerungen der Kopfpauschale müsse er dann zwar allein verkraften, doch zumindest teilweise werde er diese zusätzliche Belastung durch Lohnerhöhungen wettmachen können.

Der Vorteil dabei sei, dass die Kostenexplosion im Gesundheitswesen nicht mehr automatisch auf die Arbeitskosten durchschlage, sondern nur indirekt über Lohnverhandlungen. Die Arbeit würde billiger werden, und mehr Jobs entstünden, argumentieren die Befürworter der Kopfpauschale.

Staatsgeld

Neben Alt-Bundespräsident Roman Herzog zählt der Sozialexperte Bert Rürup zu den prominentesten Vertretern der Kopfpauschale. Rürups Kommission arbeitete im Auftrag der Bundesregierung Vorschläge zur Reform der Sozialversicherungssysteme aus. Um die Kopfpauschale sozial ausgewogener zu gestalten (s.o.), wird auch eine staatliche Hilfe für Bedürftige vorgeschlagen.

Mindestens 25 Milliarden Euro Steuergeld sollen jedes Jahr fließen. Da der Staat aber häufig klamm ist, befürchten Kritiker der Kopfpauschale, dass Politiker und Lobbyisten jedes Jahr einen Milliardenringkampf veranstalten - Gesundheitsreformen würden zur Dauerinstitution.

Wie der Kampf um die Milliarden ausgehe, habe der Reformkompromiss im Gesundheitswesen ja gerade erst gezeigt: Den Patienten würden mehr Lasten aufgebürdet. Zudem habe die Kopfpauschale ihre Überlegenheit noch nicht beweisen können: In der Schweiz, die die Prämien eingeführt habe, lägen die Gesundheitsausgaben höher als in Deutschland, monieren die Kritiker.

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