Konzerne und Krisen-PR:Warte nur, bis Obama kommt

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Obama-Tag in Stadt und Land: Großkonzerne streuen Horrornachrichten fast unbemerkt unters Volk. Zufall oder raffinierte PR?

Melanie Ahlemeier

Die Welt besteht aus Zufällen. Aber kann es so viel Zufall an einem Tag geben?

US-Präsident Barack Obama und First Lady Michelle Obama in Washington D.C. - die ganze Welt schaut auf den neuen Präsidenten. (Foto: Foto: dpa)

Da schaut die ganze Welt wie hypnotisiert nach Washington D.C., dorthin also, wo Barack Obama als 44. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird - und in Deutschland ballen sich die Negativmeldungen mehrerer Großkonzerne.

Die teils knapp formulierten Mitteilungen der PR-Strategen aus bedeutenden Firmen des Landes kündigen nach schweren Zeiten noch schwerere Zeiten an. Am Obama-Tag landen sie - vorbildlich getaktet - in den Nachrichtenredaktionen der Republik, die mit dem Verarbeiten der Storys aus den USA kaum noch nachkommen.

Was sagt das über die Krisenkommunikation deutscher Konzerne? Hatten vielleicht alle Verantwortlichen bei einem Frühstück dieselbe Idee? Überkam sie der Wunsch, schonungslos ehrlich zu sein, zum identischen Zeitpunkt?

Es war jedenfalls ein Tag, an dem sich gravierende Unternehmensmeldungen nur so häuften.

Am Dienstagmorgen dieses historischen Obama-Days wird bekannt, dass der Handelskonzern Metro weltweit 15.000 Arbeitsplätze kappt und den konzerneigenen Töchtern ein radikales Effizienzprogramm verordnet.

Fast zeitgleich teilt der Münchner Autokonzern BMW mit, dass 26.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden - für die kommenden zwei Monate. Außerdem will der Vorstand des Dax-Konzerns staatliche Garantien beantragen, um Anleihen abzusichern. Wegen der Finanzkrise.

Einige Stunden später, es ist inzwischen Dienstagnachmittag und in den USA steht die Vereidigung Obamas fast unmittelbar bevor, macht auch Volkswagen seine Pläne vom Modell Kurzarbeit öffentlich. Ende Februar sollen rund 61.000 Mitarbeiter des Wolfsburger Autokonzerns eine Woche lang zu Hause bleiben, anstatt Neufahrzeuge zusammenzumontieren.

Am späten Abend - die Wall Street hatte gerade geschlossen - kommt dann die nächste Böller-Meldung: Der angeschlagene Immobilienfianzierer Hypo Real Estate benötigt weitere Milliardengarantien der Bundesregierung, und wird somit nun schon mit knapp 100 Milliarden Euro gestützt.

Gibt es einen großen Aufschrei wegen der vielen Horrornachrichten aus der deutschen Wirtschaft? Mitnichten. Das ZDF beispielsweise widmet den Nicht-Obama-Themen im Spezial ihres "heute journals" gerade mal die Länge von Splittermeldungen. Die düsteren Wirtschaftsmeldungen kommen daher wie die Ergebnisse exotischer Randsportarten.

Was das zeigt? Dass manche Manager in den Fachbüchern zum Thema Krisenkommunikation bestimmte Kapitel oft gelesen haben. Sie haben gelernt, wie sie in Krisenzeiten kommunizieren müssen - und vor allem wann.

Man muss ja nicht den Freitagnachmittag oder die Zeit vor Heiligabend oder Karfreitag abwarten - es hilft ja einfach schon, die Inauguration eines neuen US-Präsidenten abzupassen, um etwas Unangenehmes zu platzieren.

Alle schauen auf Obama - doch die Krise frisst sich weiter durch das Land.

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