Konzern HNA:Volle Kontrolle

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Aus der Fluggesellschaft HNA wurde ein weitverzweigter Konzern - mit Firmen im Immobilien- oder Hotelgeschäft. Die Gruppe verfügt über Milliarden und erkauft sich weltweit Einfluss.

Von Christoph Giesen

HNA. Drei Buchstaben. Werden sie genannt, geht es um Übernahmen, Zukäufe oder Beteiligungen. Kaum ein Monat vergeht ohne die Nachricht, dass dieser chinesische Konzern wieder zugeschlagen hat. Erst vor ein paar Tagen kündigte HNA an, sich an der Deutschen Bank zu beteiligen, schon bald könnte der Regionalflughafen Hahn im Hunsrück folgen, die Chinesen werden als möglicher Käufer gehandelt. Im Herbst legte das Unternehmen eine 6,5-Milliarden-Dollar-Offerte für 25 Prozent an den Hilton-Hotels vor. Und vor einem Jahr gab der Konzern bekannt, den amerikanischen IT-Großhändler Ingram Micro zu übernehmen. Kostenpunkt: sechs Milliarden Dollar. Es ist eine entfesselte Einkaufstour. Der Mann, der diesen Großeinkauf koordiniert, heißt Chen Feng. Er ist der Gründer von Hainan Airlines und Aufsichtsratschef von HNA. In nur wenigen Jahren hat er aus einer Fluggesellschaft einen gewaltigen Gemischtwarenladen geformt, dessen Verzweigungen sich nur Eingeweihten komplett erschließt. Zwölf börsennotierte Unternehmen gehören zu HNA, dazu Dutzende kleinerer Firmen, etwa die 13 Flughäfen, die HNA in China betreibt. Oder die Caterer: Essen, das im Flugzeug serviert wird, stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einer der Großküchen, die HNA gehören. Auf der chinesischen Tropeninsel Hainan, wo das Unternehmen seinen Sitz hat, ist HNA allgegenwärtig. Die Gruppe ist dort der größte Immobilienentwickler. Mehr als 180 000 Mitarbeiter beschäftigt der Konzern. Der oberste Angestellte, Chairman Chen, wurde 1953 in der Kohleprovinz Shanxi geboren und wuchs als Beamten-Sohn in Peking auf. Als die Kulturrevolution ausbrach, musste er die Schule verlassen, kam aber im Unterschied zu vielen seiner Mitschüler, die aufs Land verbannt wurden, bei der chinesischen Luftwaffe unter. Nach Mao Zedongs Tod heuerte er bei der Luftfahrtbehörde an. Mit Flugzeugen kannte er sich schließlich aus. In den Achtzigerjahren, das behauptet Chen, sei er zu einem Studium an einer Akademie der Lufthansa delegiert worden. 1989 trat er dann einen Job bei der Weltbank in Haikou, der Hauptstadt Hainans, an. Noch im selben Jahr beauftragte ihn die Provinzregierung, eine Fluggesellschaft zu gründen: jene Hainan Airlines. 1,4 Millionen Dollar stellten die Behörden, den Rest trieb Chen auf, insgesamt 37 Millionen Dollar, davon kaufte er zwei Boeing-Maschinen und Chinas erste mehrheitlich private Fluglinie nahm ihren Betrieb auf. 1995 reiste Chen nach New York und überzeugte George Soros, 25 Millionen Dollar zu investieren. Heute ist Hainan Airlines die viertgrößte Fluggesellschaft der Volksrepublik. Nur die drei staatlichen Linien Southern China, Air China und China Eastern befördern noch mehr Fluggäste. Mehr als 800 Maschinen fliegen inzwischen für HNA. Denn insgesamt betreibt die Firma in China 14 Fluggesellschaften. Das Prinzip ist immer dasselbe: Eine Stadt oder eine Region stellt das Geld. Fengs Truppe besorgt die Flugzeuge, baut das Management auf und tüftelt die Strecken aus. Tianjin Airlines oder Urumqi Airlines heißen die Ableger dann. "Xinjiang, die Innere Mongolei - alles unser. Uns gehören Flugrouten zu Orten, wo nicht einmal Hasen hinscheißen", sagte Chen einmal einem chinesischen Magazin. "Der halbe chinesische Luftraum ist unter unserer Kontrolle." Nur selten gewährt Feng oder jemand aus dem Top-Management ein Interview. Derzeit gebe HNA keine Auskunft zur Strategie in Europa und Deutschland, teilt ein PR-Berater mit. Zu besprechen gäbe es jedoch einiges. Seit vier, fünf Jahren investiert der Konzern weltweit. Alleine 2016 hat HNA 21 Milliarden Dollar für Übernahmen geboten. Und das bei einem Jahresumsatz von zuletzt 27 Milliarden Dollar. Investmentbanker in China machen sich deshalb Sorgen. Das Risiko und die Kreditabhängigkeit seien gewaltig, hört man immer wieder. Doch die Kreditlinien sind es ebenfalls. Ende 2015 hätte HNA laut einem Anleiheprospekts 67,4 Milliarden Dollar abrufen können. Die größten Geldgeber sind allesamt staatliche Banken. Und Teil dieses Systems ist Chefaufseher Chen selbst. Seit 2002 ist er Parteitagsdelegierter, alle fünf Jahre bestimmt er mit, wer an der Spitze Chinas steht. Im Oktober ist es wieder soweit. "Ich bin Mitglied der Kommunistischen Partei, also glaube ich an den Kommunismus", sagte er einmal.

Fluglinien sind nur ein Geschäftszweig von HNA. Zur Unternehmensgruppe gehören Immobilien-, Seefahrts- oder auch Hotelfirmen. Unterstützt wird der Konzern von staatlichen Banken. (Foto: Li Shengli/Imaginechina)

Doch nicht alles, was Genosse Chen treibt, kommt offenbar bei der chinesischen Führung gut an. Peking schätzt vor allem Auslandsgeschäfte, die chinesischen Unternehmen einen technischen Vorteil bringen, Minderheitsbeteiligungen und dann auch noch an Hotel-Ketten, das stößt eher auf Unverständnis.

Einen Monat nach dem Hilton-Deal ordnete die Regierung jedenfalls scharfe Kapitalausfuhrkontrollen an. Seitdem dürfen chinesische Unternehmen Auslandsakquisitionen in branchenfremden Geschäften nur noch bis zu einer Milliarde Dollar tätigen. Bei der Deutschen Bank liegt HNA unterhalb der Schwelle. Andere Übernahmen könnten aber in den kommenden Monaten noch einmal genau überprüft werden. Bei HNA scheint man darüber nicht sonderlich besorgt zu sein. Die Shopping-Tour geht jedenfalls weiter.

Im vergangenen Februar hielt Chen einen Vortrag an der amerikanischen Elite-Universität Harvard. Man kann ihn sich noch heute auf Youtube ansehen. Chen begrüßt auf Englisch, macht dann auf Chinesisch weiter. Von dem Honorar, das er bei solchen Vorträgen bekomme, könne er sich nicht einmal den Tee leisten, den er gewöhnlich trinke, spottet Chen, deshalb spende er die paar Tausend Dollar immer. Er habe vor Jahren auch einmal in Harvard einen Kurs gemacht, erzählt er. Allerdings habe er keine Zeit gehabt, die Fallstudien zu lesen. Also beauftragte er Mitarbeiter, Zusammenfassungen zu schreiben. "Chinesen sind schlau." Einen Plan für HNA, so scheint es, hat dieser Mann.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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