Kontenabfrage:Der Fiskus blickt nur selten aufs Konto

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Vor allem wegen technischer Probleme machen Finanzämter und andere Behörden von den seit 1. April möglichen Kontenabfragen bislang wenig Gebrauch. Kritiker halten die neuen Regeln weiterhin für verfassungswidrig.

Daniela Kuhr

Seit dem 1. April können Finanzämter und andere Behörden sämtliche Konten eines Bürgers im Bundesgebiet ermitteln. Dabei erfahren die Beamten Kontonummer, Namen der Bevollmächtigten und das Eröffnungsdatum, nicht aber den Kontostand.

Eine Dienstmarke der Steuerfahndung. Technische Probleme behindern noch den vollelektronischen Zugriff auf Kontodaten. (Foto: Foto: dpa)

Nach diesem dürfen sie nur bei konkretem Verdacht fragen. Dennoch sahen Kritiker der neuen Regeln das "Ende des Bankgeheimnisses" gekommen und befürchteten flächendeckende Ermittlungen. Bislang hat sich diese Sorge nicht bestätigt.

Bis Ende Juli habe es bundesweit 2200 Kontenabrufe gegeben, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums (BMF) am Dienstag auf Anfrage. Bei geschätzten 20 Arbeitstagen pro Monat entspricht das 27,5 Abfragen pro Tag.

Der "absolut überwiegende Teil" gehe auf Anfragen von Finanzämtern zurück, sagte der BMF-Sprecher, die Anfragen durch andere Behörden seien zu vernachlässigen.

Dieser Trend bestätigt sich auf Landesebene. So wurden in Niedersachsen bis Ende Juli 136 Kontenabrufe gestartet. 134 stammten von Finanzämtern und nur zwei von anderen Behörden, sagte ein Sprecher der Oberfinanzdirektion Hannover. "Gemessen an der Aufregung im Vorfeld läuft das Ganze sehr normal ab."

Zu wenig Personal zum Kontrollieren

Für die Zurückhaltung der Beamten sieht der Sprecher vor allem einen Grund: "Die Personaldecke in der Finanzverwaltung ist sehr dünn. Den Beamten fehlt einfach die Zeit, jeden Steuervorgang per Abfrage zu überprüfen."

Bei den Banken sieht man noch einen weiteren Punkt. "Die relativ wenigen Abfragen hängen sicher auch damit zusammen, dass sie bislang noch manuell erfolgen müssen", sagte ein Sprecher des Zentralen Kreditausschusses, der Dachorganisation der Kreditwirtschaft. "Die Zahl wird rapide ansteigen, sobald das Ganze vollautomatisch möglich ist."

Derzeit müssen Beamte, die die Angaben eines Bürgers bezweifeln, ein Formular ausfüllen, vom Behördenleiter unterschreiben lassen und per Post an das Bundesamt für Finanzen schicken - eine dem Bundesfinanzministerium unterstellte Behörde. Dort begibt sich ein Mitarbeiter zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und nutzt deren Computer für die Abfragen.

Technische Probleme behindern Zugriff

Die Bafin hat bereits seit zwei Jahren vollelektronischen Zugriff auf die Kontendaten bei sämtlichen Banken. Diese Möglichkeit wurde 2003 im Rahmen der Terrorbekämpfung eingeführt. Das Bundesamt für Finanzen soll ebenfalls Zugriff erhalten, doch derzeit gibt es noch technische Probleme. Sie seien aber "in absehbarer Zukunft" beseitigt, sagte der Sprecher des Ministeriums.

Dann sei angestrebt, täglich etwa 2000 Abrufe zu starten. "Schließlich hat uns das Bundesverfassungsgericht zu einer effektiven Kontrolle verpflichtet." Das Gericht hatte in mehreren Urteilen verlangt, dass die Angaben der Steuerzahler überprüfbar sein müssen.

Kritiker halten die Kontenabfragen dennoch für den falschen Weg. "Das Problem ist nicht die tatsächliche Zahl der Abfragen, sondern die Ausgestaltung im Gesetz", sagt Till Günther von der Karlsruher Kanzlei Widmaier, die in Namen einer Volksbank Verfassungsbeschwerde gegen die neuen Abrufmöglichkeiten eingelegt hat. "Das Gesetz setzt viel zu geringe Anforderungen für eine Abfrage und ist viel zu unbestimmt."

Gerichtsentscheidung im kommenden Jahr

Einen Eilantrag gegen das Gesetz hatte das Verfassungsgericht Ende März zwar abgelehnt, doch in dem Hauptverfahren werden die Karlsruher Richter - wohl erst im kommenden Jahr - noch entscheiden.

Auch der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carl-Ludwig Thiele, kritisierte am Dienstag die Kontenabrufe. Sie machten "Deutschland als Investitionsstandort unattraktiv". Durch schärfere Kontrollen käme kein Cent Schwarzgeld zurück nach Deutschland. "Im Gegenteil: Ein Schnüffelstaat ist kein guter Anlageort", sagte Thiele. Die FDP präferiert stattdessen eine Abgeltungssteuer, bei der Kapitalerträge pauschal besteuert werden.

© SZ vom 10.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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