Konkurrenz der Autovermieter:Wer bremst, hat verloren

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Jahrelang fuhren Sixt, Europcar & Co auf der Kriechspur - jetzt verdienen die Autovermieter wieder ordentlich Geld. Das Rennen um die Pole-Position läuft auf vollen Touren - Ausgang offen.

Heiko Reuter

Ein Mann prügelt sich wie Rambo durch einen Flughafen. Er hat nur ein Ziel: den Mietwagenschalter. Dort will er hin - mit aller Macht. Am Schluss gewinnt der Mann den Wettlauf gegen die Konkurrenten. Vor allen anderen erreicht er den Tresen und bekommt die Siegestrophäe: den Schlüssel für den letzten noch zu vergebenden BMW Z3.

Der harte Wettbewerb unter den Autovermietern erfordert hohe Investitionen in die Marke: Sixt arbeitet derzeit stark an einem neuen Design seine Werbeauftritts. (Foto: Foto: Sixt)

Ganz so einfach wie in dem legendären Sixt-Spot der Werbeagentur Jung von Matt aus Hamburg ist das Vermietgeschäft zwar nicht. Doch immerhin: Die Branche verdient mit dem Verleih von Automobilen wieder Geld.

Momentan sind zweistellige Gewinnzuwachsraten vor allem bei den seit Ewigkeiten um die Marktführerschaft kämpfenden Kontrahenten Sixt und Europcar an der Tagesordnung.

Vermietgeschäft - noch vor wenigen Jahren defizitär

Das war nicht immer so. Noch vor wenigen Jahren fuhren die großen Autovermieter fast nur dank "artfremder" Geschäftsfelder wie Leasing oder dem Verkauf ihrer Gebrauchtfahrzeuge in die schwarzen Zahlen. Sixt avancierte zeitweise gar zum größten Autohändler Deutschlands.

Anhaltende Preiskämpfe und die schlechte Konjunktur sorgten dafür, dass im Kerngeschäft nicht viel lief. Doch diese Zeit ist vorbei - und Autovermietung ist wieder ein gesundes Business geworden. "Das Geschäft ist sehr konjunkturabhängig", sagt Analyst Christian Obst von der HypoVereinsbank, "und die läuft momentan ganz ordentlich. Der Preisverfall scheint auch gestoppt."

Ein beispielloser Kaufrausch bei den Vermietern ist die Folge. Mehr noch: Die Branche erlebt eine Kulturrevolution. Die Mobilitätskonzerne stellen sich neu auf - mit dem Ziel, den Wettbewerbern die Rücklichter zu zeigen.

Großübernahme

Vorläufiger Höhepunkt der Entwicklung: Ende 2006 schluckte Europcar für 670 Millionen Euro das Europa-Geschäft des US-Vermieters Vanguard Car Rental. Dessen Marken National Car Rental und Alamo Rent a Car sollen vorerst eigenständig und ohne Veränderungen weitergeführt werden.

Teil des Vanguard-Deals ist ein Kooperationsvertrag, der Europcar den Zugriff auf das US-Netz des Vermieters gewährt. "Europcar kann so zum Global Player aufsteigen", freut sich der Deutschland-Chef Philippe Guyot: "Endlich haben wir für unsere Großkunden einen Partner in Nordamerika."

"Mit Vanguard weitet Europcar seinen Vorsprung vor Sixt auf europäischer Ebene aus", sagt Analyst Obst.

Für Sixt bedeutet die Vanguard- Übernahme einen herben Rückschlag. In fünf Jahren will der Münchner Vermieter Europcar als Nummer eins der Branche in Europa abgelöst haben. "Ohne Akquisitionen wird das jetzt etwas länger dauern", so Erich Sixt lakonisch. Nur: Es gibt praktisch keine größeren Übernahmekandidaten mehr - im Inland schon gar nicht. Als Schlüsselmärkte gelten bei den Münchnern jetzt Brasilien, Indien und China.

Zersplittert

Hierzulande ist der Markt ziemlich zersplittert. Nach Angaben des Bundesverbands der Autovermieter Deutschlands (BAV) existieren noch rund 600 Vermietungsunternehmen und Mobilitätsdienstleister - 40 Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. "Es gibt Betriebe mit 20 Fahrzeugen und welche mit 20.000", weiß BAV-Berater Klaus Langmann-Keller.

Zusammen fahren sie pro Jahr Umsätze von rund 2,4 Milliarden Euro ein. Aktuelle Zahlen sind Mangelware, schätzungsweise dürften die vier Großvermieter Sixt, Europcar, Hertz und Avis in Deutschland bis zu 80 Prozent Marktanteil erreichen. Das Quartett dominiert auch das erfolgs- und prestigeträchtige Flughafen- und Firmengeschäft. Als deutscher Marktführer in puncto Umsatz gilt Sixt, Europcar ist dicht dahinter. Danach folgen mit einigem Abstand Hertz und Avis.

Investitionen in die Marke

Bei dieser Intensität des Wettbewerbs sind Investitionen in die Marke dringend nötig - zumal der Markt trotz guter Perspektiven keine endlose Wachstumsstory verspricht.

"Für uns gewinnt die Markenführung weiter an Bedeutung", berichtet Geschäftsführer Remy Keijzer von Hertz Deutschland: "Wir stocken unsere Budgets auf und bereiten für dieses Jahr eine große Markenkampagne vor."

"In Zukunft legen wir den Fokus stärker auf Kommunikation abseits klassischer Werbung", kontert Avis-Cheflenker Wolfgang Neumann, der der mit der Agentur Ogilvy & Mather in Frankfurt zusammenarbeitet: "Beispielsweise auf Kooperationen, E-Commerce und PR."

Wichtige Flughafenwerbung

Sixt ist schon einen Schritt weiter und unterwarf 2006 seine Werbewelt einem Relaunch, investierte noch einmal kräftig in die für die Branche sehr wichtige Flughafenwerbung und renovierte Teile seines Filialnetzes.

Pro Vermietstation steckte der Mobilitätskonzern bis zu 150.000 Euro in das Redesign. "Man braucht eine starke Marke. Und die haben wir", erklärt Erich Sixt selbstbewusst.

Bei den großen Mietwagenfirmen ist die laut einer Studie von TNS Infratest sehr schwankende Markentreue noch deutlich stärker ausgeprägt als bei den kleinen.

Viele mittelständische Vermieter kämpfen nicht zuletzt deshalb ums nackte Überleben. Zwar haben sich viele unabhängige Betriebe sogenannten Systemdienstleistern wie Europa-Service oder CC Unirent angeschlossen. So können sie unter gemeinsamer Marke auftreten, bleiben aber selbstständig.

Kleinvermieter sterben

Den Systemdienstleistern fehlt allerdings die durchschlagende Marketingpower der Vermietkonzerne. Dass die Tarife im lukrativen Unfallersatzwagen-Geschäft wegen juristischer Auflagen unter Druck geraten sind, macht es für Mittelständler nicht leichter. So wird das langsame Sterben der Kleinvermieter weitergehen.

"Wir erwarten noch mehr Schließungen und Übernahmen", erklärt Klaus Langmann-Keller vom BAV. Dabei gibt es durchaus weitere Wachstumsfelder wie etwa Flottenmanagement - ein "heiß umkämpfter Markt", so Sixt-Leasing-Vorstand Matthias Rotzeck.

Teurer Fuhrpark

In vielen Unternehmen ist der Fuhrpark nach dem Personal der zweitgrößte Kostenblock - der deshalb zur Freude der Vermieter oft ausgelagert wird.

Bei Sixt ist das margenstarke Fuhrparkmanagement eines der wichtigsten Wachstumsfelder. So betreiben die Münchner zum Beispiel seit kurzem zusammen mit VR Leasing den Fuhrpark des Touristikkonzerns TUI. Selbst die Deutsche Bahn will durch eigene Autohändler in großem Stil in das Leasing- und Flottengeschäft einsteigen.

Angebote wie Leasing oder Chauffeur-Services bieten nach Meinung von Branchenexperten noch einiges Wachstumspotenzial. Aber auch dort sind die großen Vermietermarken in aller Regel besser aufgestellt. Und auf europäischer Ebene sieht es nicht anders aus.

Konzentrationsprozess hält an

Kein Wunder, dass in den Führungsetagen der Konzerne längst neue Deals ausgelotet werden. "Weitere Übernahmen sind nicht ausgeschlossen", erklärt Eurazeo-Vorstandsmitglied und Europcar-Verwaltungsratschef Xavier Marin ganz unverblümt. Auch in der Finanzwelt glaubt man nicht an ein Ende des Konzentrationsprozesses: "Die Konsolidierung geht weiter", so Analyst Christian Obst.

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