Konjunkturelle Wende:Der schlechte Aufschwung — ein Kommentar

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Als es abwärts ging, haben sich der Kanzler und seine Minister über die Fehlprognosen der Forscher lustig gemacht. Nun bejubeln die rot-grünen Regenten deren Prognosen als Vorboten einer besseren Zeit, als Beleg einer vermeintlich richtigen Politik. Ein Kommentar von Ulrich Schäfer

Von Ulrich Schäfer

Sie haben ihn beschworen, sie haben ihn herbeigeredet, und nun — endlich, endlich — scheint er da zu sein: der Aufschwung.

Nach oben korrigiert

Ein Institut nach dem anderen korrigiert seine Wachstumsprognosen nach oben, am Dienstag folgte die Bundesbank und am Mittwoch das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung.

Als erstes renommierte Institut hält das RWI ein Wachstum von mehr als zwei Prozent in diesem Jahr für möglich. Das wäre mehr, als der Kanzler und sein Wirtschaftsminister zu hoffen wagten.

Ist dies also die konjunkturelle Wende? Kommt nach drei Jahren der ermüdenden Stagnation die deutsche Wirtschaft in Gang? Dürfen Schröder und Clement darauf hoffen, dass ihnen auch die Wende am Arbeitsmarkt gelingt?

Erst belacht, dann bejubelt

Natürlich läuft die PR-Maschine der Regierung deswegen längst auf Hochtouren, natürlich bejubeln die rot-grünen Regenten in Berlin jede neue frohe Botschaft, die die Wirtschaftsforscher ihnen liefern — jene Forscher übrigens, über deren Fehlprognosen der Kanzler und seine Minister sich vor einiger Zeit, als es abwärts ging, lustig gemacht hatten.

Nun feiern sie deren Prognosen als Vorboten einer besseren Zeit, als Beleg einer vermeintlich richtigen Politik.

Dies ist, gelinde gesagt, voreilig. Denn die derzeitige Aufwärts-bewegung hat noch fast nichts mit den rot-grünen Reformen zu tun, sondern vor allem mit jenen Umbrüchen, die anderswo zu beobachten sind: in Japan etwa, oder in den USA.

Export profitiert von Weltwirtschaft

Weil es rund um den Globus bergauf geht, geht es auch in Deutschland bergauf. Weil George Bush jenseits des Atlantiks die Steuern und Alan Greenspan die Zinsen gesenkt hat, zieht auch diesseits des Atlantiks, in Europa, die Konjunktur an. Weil die Weltwirtschaft brummt, profitiert auch der Export-Weltmeister Deutschland.

Dies allein wäre nicht zu beklagen — wenn nicht die Binnenkonjunktur derart schlapp wäre. Die deutsche Steuerreform — man hat fast vergessen, dass die Abgaben zu Jahresbeginn abermals gesunken sind — ist fast wirkungslos verpufft.

Auch die bisherigen Arbeitsmarkt-Gesetze haben allenfalls zu kosmetischen Veränderungen in der Jobstatistik geführt. Die Deutschen haben, weil sie nicht wissen, was noch auf sie zukommt, wenig Lust, ihr Geld auszugeben.

Erlahmende Reformbereitschaft

Es wäre daher fatal, wenn die Regierung sich nun wie vor vier Jahren wieder zurück lehnt und die zweite Hälfte der Legislaturperiode tatenlos verstreichen lässt.

Sollte die Reformbereitschaft des Kanzlers, wie zu befürchten steht, nun tatsächlich wieder erlahmen, wäre der beginnende Aufschwung ein schlechter Aufschwung.

© SZ vom 29. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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