Kompromiss mit Gesundheitsministerium:Krankenkassen senken 2004 die Beiträge

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Die Versicherer haben im Streit um die Gesundheitsreform mit der Regierung eingelenkt. Auf den genauen Umfang der Beitragsreduzierung haben sich die Krankenkassen allerdings nicht festgelegt.

Von Robert Jacobi

(SZ vom 31.7.2003) — Die gesetzlichen Krankenkassen wollen ihre Beiträge im Jahr 2004 durchschnittlich um 0,7 Prozentpunkte senken. Diese Zusage knüpfen sie aber daran, dass die Entlastungen durch die Gesundheitsreform tatsächlich greifen.

"Wie hoch der Beitrag im Einzelfall sein wird, hängt von der Finanzlage der jeweiligen Kasse ab", sagte AOK-Vorstandschef Hans Jürgen Ahrens am Mittwoch nach einem Treffen mit dem Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder. Aus Sicht der Bundesregierung sollen die durchschnittlichen Sätze 2004 auf bis zu 13,6 Prozent von derzeit 14,4 Prozent sinken.

Der Gesundheitskompromiss von Regierung und Opposition, der die Bürger im nächsten Jahr durch höhere Zuzahlungen erheblich belastet, hatte zu einem Streit mit den Krankenkassen geführt. Einzelne Kassenchefs weigerten sich zunächst, die Beiträge derart stark zu senken, weil sie erst ihre Schulden abbauen wollten.

Diesen Streit legten die Teilnehmer des Gesprächs im Gesundheitsministerium bei. Zwar wollte sich AOK-Chef Ahrens nicht auf konkrete Beitragssätze festlegen. Die Kassen hätten das Finanztableau der Gesundheitsreform, das für das kommende Jahr einen Beitragssatz von 13,6Prozent vorsieht, als "plausible und realistische Grundlage" anerkannt, sagte Staatssekretär Schröder, der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) vertrat, die sich in dieser Woche im Urlaub befindet.

Schmidt hatte den Kassen gedroht, ihnen notfalls per Gesetz Beitragssatzsenkungen vorzuschreiben. Diese Erwägungen bezeichnete Ahrens als "absurd". Tatsächlich müssten aber die Beiträge sinken, weil die Bürger andernfalls die vorgesehenen Zuzahlungen und Leistungskürzungen nicht akzeptieren würden.

"Es gibt keine Krankenkasse, die ihre Beiträge nicht senkt, wenn sie das könnte", sagte Ahrens. Der Vorsitzende des Ersatzkassen-Verbandes, Herbert Rebscher, sagte, jede Kasse werde nach ihrem eigenen Spielraum entscheiden. Ahrens räumte ein, die Kassen hätten nach Bekanntwerden des Gesundheitskonsenses nicht sofort erkannt, dass sie anders als bisher ihre Schulden über vier Jahre gestreckt abbauen dürften.

Ahrens: Kassen stehen vor sieben Milliarden Schulden

Vor einem neuen Problem steht allerdings Finanzminister Hans Eichel (SPD): Die fortgeschriebenen Schulden der Kassen erhöhen das gesamtstaatliche Defizit und erschweren es, den europäischen Stabilitätspakt einzuhalten. Nach Angaben von Ahrens wird das Loch bei den Krankenkassen zum Jahresende etwa sieben Milliarden Euro betragen.

Auf vier Milliarden Euro summierten sich die in diesem und im vergangenen Jahr aufgelaufenen Schulden. Weitere drei Milliarden Euro fehlten den Kassen in den Rücklagen. Die Reform bringe aber schon 2004 rund zehn Milliarden Euro.

Da die Entlastung in den Folgejahren auf 20 Milliarden Euro steige, sei es weniger wichtig, die Rücklagen sofort wieder aufzufüllen, sagte der CDU-Gesundheitsexperte Andreas Storm der Süddeutschen Zeitung. "Die Kassen bekommen durch die Reform genug Spielraum, um die Beiträge zu senken", sagte Storm, der im falle einer Weigerung ebenfalls einen gesetzlichen Zwang empfohlen hatte.

Wenn die Wirtschaft sich im Herbst nicht erhole, sei der jetzt vorgesehene Durchschnittsbeitrag von 13,6 Prozent zwar schwer zu erreichen. "Unter 14 Prozent muss es aber in jedem Fall gehen", sagte er. Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (DIW) bezeichnete das Ziel von 13,6 Prozent als "reichlich optimistisch".

Die Reform könne den Beitragssatz voraussichtlich nur bei 14,3Prozent stabilisieren. Die Kassen sollten erst ihre Schulden abbauen.

Widerstand gegen Bürgerversicherung

Unterdessen formierte sich bei den Verbänden Widerstand gegen die von Sozialministerin Ulla Schmidt befürwortete Einführung einer Bürgerversicherung. Ein solches Modell wäre zum Scheitern verurteilt, sagte der Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund, Frank Ulrich Montgomery.

"Warum dieses System, unter dessen Fehlern inzwischen 90 Prozent der Bevölkerung leiden, dadurch besser werden soll, dass man auch die restlichen zehn Prozent noch hineinzwängt, bleibt das Geheimnis der Erfinder dieser Idee", sagte Montgomery, der Einheitsprämien für sinnvoller hält.

Ministerin Schmidt wies Montgomerys Kritik am gegenwärtigen System zurück. Es sei "sachlich falsch", dass 90 Prozent der Bevölkerung darunter litten, ließ sie erklären.

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