Kompromiss mit China:E-Auto-Quote stiftet Verwirrung

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China wollte Autohersteller zur Produktion von E-Autos verpflichten, Angela Merkel vereinbarte mit Peking einen Kompromiss. Doch nun steht ein Entwurf auf einer chinesischen Regierungs-Webseite, der aussieht wie der alte.

Von Christoph Giesen, Peking

Die Sache schien geklärt. Vor knapp drei Wochen traten Chinas Premierminister Li Keqiang und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin vor die Presse. "Wir haben die zuständigen Behörden gebeten, den Unternehmensanliegen entgegenzukommen", sagte Li und schob hinterher: "Wir haben eine Lösung gefunden." Eine Lösung im Zwist um die geplante Elektroauto-Quote in China. So sah es aus Anfang Juni. Inzwischen aber ist die Verwirrung in Berlin und Peking gewaltig.

Ende vergangenen September hatte die chinesische Regierung überraschend einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der bereits von 2018 an eine verpflichtende Elektroauto-Quote vorsieht. Für Volkswagen, den größten Autohersteller in China, hätte das bedeutet, im kommenden Jahr etwa 60 000 reine Elektrofahrzeuge produzieren zu müssen. Falls nicht, sah der Entwurf zwei Möglichkeiten vor: Entweder die Drosselung der Produktion oder aber der Kauf von sogenannten Kreditpunkten von Wettbewerbern, die ihre Quote übererfüllt haben. Wie viel ein solcher Kreditpunkt dann kostet, ist völlig offen.

Die Hersteller wehrten sich - die Übergangsfrist sei zu knapp, mindestens ein Jahr Aufschub zur Planung brauche man. Selbst die Bundeskanzlerin machte sich für die Autohersteller stark. In einem Telefonat mit Staats- und Parteichef Xi Jinping erzielte sie eine grundsätzliche Einigung. Um die Details kümmerte sich schließlich der Apparat von Li Keqiang. Der ausgehandelte Plan sah eine Verschiebung des Quotenstarts um ein Jahr vor, außerdem sollte es den Herstellern erlaubt sein, Kreditpunkte zu übertragen. Wer also 2019 noch nicht die vorgegebene Anzahl an Elektrofahrzeugen produzieren kann, sollte durch eine Übererfüllung der Quote 2020 das Vorjahr ausgleichen können. So weit der Plan - öffentlich zugesichert in Berlin.

Doch nun ist ein neuer Entwurf auf einer chinesischen Regierungswebsite aufgetaucht, genauso plötzlich wie im vergangenen Herbst. Noch bemerkenswerter ist der Inhalt: Keine der ausgehandelten Änderungen haben es in die neue Gesetzesvorlage geschafft. Der Start soll demnach weiterhin 2018 erfolgen. Die Quoten sind identisch, und eine Übertragung von Kreditpunkten auf das Vorjahr ist nicht vorgesehen. Hatte Premier Li nicht von einer Lösung gesprochen?

"Es scheint, dass die politische Führung verstanden hat, dass dies ein Problem ist", sagte der deutsche Botschafter in Peking, Michael Clauß, der Nachrichtenagentur Reuters. Offenbar gebe es eine andere Auffassung auf der Arbeitsebene im Industrieministerium. Bis zum 27. Juni können die Hersteller nun Kritik per E-Mail einsenden. Fruchtet das nicht, wird es Anfang Juli in Berlin wohl zu Diskussionen kommen. Dann kommt Li Keqiangs Chef, Xi Jinping, zum Staatsbesuch.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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