Kommentar:Wettbewerb ja, Ausbeutung nein

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Die Deutsche Post muss ihre Paketentgelte für Privatkunden wieder senken - kurios angesichts des Preiskampfs in der Branche. Doch der Markt braucht beides: Wettbewerb und den Schutz Tausender schlecht bezahlter Boten.

Von Benedikt Müller

Auf den ersten Blick passt das nicht zusammen: Eigentlich wollen doch alle, dass die Millionen Pakete, die täglich durch Deutschland geschickt werden, einen vernünftigen Preis haben, damit auch Tausende Boten endlich zu besseren Löhnen und Bedingungen arbeiten können. Also hob der Marktführer Deutsche Post die Paketpreise für Privatkunden zum 1. Januar im Schnitt um drei Prozent an. Doch dann monierte die Bundesnetzagentur, dass gestiegene Kosten allein die höheren Entgelte nicht rechtfertigen. Die Post missbrauche ihre Marktmacht, so der Vorwurf. Nun macht der Konzern die Preiserhöhung rückgängig, im Mai werden Pakete wieder günstiger.

Das wirkt zweifelsohne kurios angesichts des harten Preiswettbewerbs, den sich Paketdienste seit Jahren liefern. Auch hatte die Netzagentur so zuvor noch nie in den Paketmarkt eingegriffen. Und doch ist es wichtig, zwei hehre Ziele voneinander zu trennen: den Kampf gegen die Ausbeutung von Fahrern auf der einen Seite, den Schutz der Kunden vor zu mächtigen Marktführern auf der anderen Seite. Das mag auf dem Paketmarkt zuweilen einen Spagat erfordern, doch eine soziale Marktwirtschaft braucht beides.

Es ist deshalb richtig, dass die Bundesnetzagentur Paketpreise für Privatkunden genau überprüft und in diesem Fall die Post zum Einlenken gebracht hat

Grundsätzlich gilt: Höhere Preise für die Kunden können, müssen aber nicht zu besseren Löhnen und Bedingungen für die Beschäftigten führen. Die Chancen stehen gut in mitbestimmten Unternehmen, wie der Post, mit vielen gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten. Im Paketmarkt insgesamt gab es einen solchen Automatismus aber lange nicht: Viele Paketdienste lagern große Teile ihrer Zustellung auf Subunternehmer aus; am Ende der zuweilen komplizierten Ketten standen - in Extremfällen - scheinselbständige Boten, die in Stoßzeiten in ihren Lieferwagen übernachteten. Ein Extrembeispiel, ja, aber jedes davon ist eines zu viel.

Klar ist auch: Die Post wollte die Preise nicht erhöhen, um gegenüber ihren Boten besonders gönnerhaft auftreten zu können - sondern um ihre ambitionierten Gewinnziele erreichen zu können. 1,6 Milliarden Euro will der Konzern in diesem Jahr vor Zinsen und Steuern im Stammgeschäft mit Briefen und Paketen verdienen; bis zu 1,3 Milliarden Euro hatte er zuletzt für das vergangene Jahr prognostiziert. Die Post will also eine Lücke schließen. Man muss dies freilich nicht verteufeln: Gewinne sind nun mal die Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen beispielsweise umweltschonende Lieferfahrzeuge oder neue Paketzentren bauen kann. Dies scheint ja im Interesse einer Gesellschaft zu liegen, die immer mehr Waren im Internet bestellt und sich gerne frei Haus beliefern lässt.

Doch liegt hierin eine Besonderheit des Paketmarkts: Die meisten Sendungen werden eben nicht von Privatleuten am Schalter aufgegeben, sondern von Online- und Versandhändlern wie beispielsweise Amazon. Diese Großkunden handeln Mengenrabatte mit der Post und ihren Konkurrenten aus. Wie gut Paketdienste verdienen, entscheidet sich also vor allem in Verhandlungen mit Händlern und keineswegs nur in der Postfiliale.

Es ist deshalb richtig, dass die Bundesnetzagentur Paketpreise für Privatkunden genau überprüft und in diesem Fall die Post zum Einlenken gebracht hat. Der frühere Staatskonzern sollte im Paketgeschäft in Filialen, in dem er traditionell stark ist, keine überhöhten Entgelte verlangen dürfen - damit er keinen Anreiz hat, sich in den wichtigen Verhandlungen mit Händlern auf niedrige Kampfpreise einzulassen, die zulasten der Wettbewerber und letztlich von deren Subunternehmern gingen. Die Post hat ohnehin den Wettbewerbsvorteil, dass in ländlichen Gebieten ein und derselbe Bote Briefe und Pakete ausfahren kann. Ihre Kosten verteilen sich somit auf beide Märkte, anders als bei konkurrierenden Paketdiensten.

Privatleute hingegen, die im Internet einkaufen, können im Regelfall nicht durchschauen, welcher Paketfahrer letztlich zu welchen Bedingungen ihre Bestellung ausliefern wird. Daher reicht es in diesem Fall nicht, an die Verantwortung von Onlineshoppern zu appellieren. Es ist vielmehr richtig, dass der Staat im vergangenen November der Branche neue Mindeststandards vorgegeben hat: Paketdienste müssen seither dafür haften, dass ihre Subunternehmer Sozialversicherungsbeiträge für alle Boten abführen. Und Behörden wie der Zoll sollten weiter gezielt gegen Schwarzarbeit oder Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz vorgehen, von der es in der Branche bislang zu viele gab.

Wettbewerb ja, Ausbeutung nein: Dieser Grundsatz muss auch in schnell wachsenden Märkten wie der Paketbranche gelten.

© SZ vom 07.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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