Kommentar:Wer hat, dem wird gegeben

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Das freie Netz fällt in den USA dem Lobbyismus zum Opfer. Was sich als Befreiung tarnt, hilft nur den Unternehmen.

Von Jannis Brühl

Das Internet war nie völlig frei von kommerziellen Interessen, und trotzdem gehörte es allen. Eine Demokratie-Maschine des Wissens und der Vernetzung, offen für jeden. Der von Präsident Donald Trump ernannte Chef der amerikanischen Kommunikationskommission sieht das anders. Ajit Pai hat eine Handvoll Konzerne ermächtigt, über den Zugang zu dieser Demokratie-Maschine zu bestimmen. Die Behörde hat das unter Trumps Vorgänger Barack Obama festgeschriebene Prinzip der Netzneutralität in den USA abgeschafft - ein Geschenk für einige Unternehmen auf Kosten aller anderen. Auch in Deutschland steht das Prinzip unter Beschuss, durch umstrittene Angebote von Telekom und Vodafone.

Netzneutralität heißt: Alle Daten, die durchs Netz fließen, ob auf Desktop-Computer oder Smartphones, müssen gleich behandelt werden. Nach der Entscheidung in den USA dürfen Internetanbieter wie Comcast, AT&T und Verizon, die viel Lobbyarbeit gegen Netzneutralität betrieben haben, nun ihre Macht als Torwächter des Netzes voll ausnutzen. Sie können für bestimmte Dienste und Apps - etwa ihre eigenen Dienste oder Musikstreaming via Spotify - zusätzliche Gebühren von Kunden oder von jenen Diensten selbst verlangen.

Das heißt in der Praxis: Kunden können extra abkassiert werden, nur um in akzeptabler Qualität an bestimmte Dienste zu kommen. Und Anbieter von Inhalten können sich privilegierten Zugang zu ihren Kunden erkaufen. Ihre Daten können schneller durchgeleitet oder vom Datenvolumen ausgenommen werden, das der Kunde bezahlt. Das spielt den mächtigsten Unternehmen in die Hände. Je mehr Kapital ein Anbieter hat, desto mehr Vorteile kann er sich erkaufen - unabhängig von der Qualität seiner Dienste. Sollte es so kommen, werden kleine Unternehmen und nichtkommerzielle Anbieter sich das wohl nicht leisten können.

Es geht um die Offenheit des Netzes - und um gerechte Wirtschaft. Das Internet war oft ein Segen für den freien Markt. Start-ups konnten zu geringen Kosten Kunden finden. Eigentlich ein gutes Mittel gegen Machtkonzentration. Mit dem Ende der Netzneutralität wird unter der Behauptung, "Fesseln" der Regulierung abzuschaffen, Monopolen zugearbeitet.

Konzerne können ihre starke Stellung auf dem Weg zum Verbraucher zementieren

Ohne die Regel gewinnen zwei Arten von Unternehmen Einfluss, die ohnehin schon mächtig sind: Zunächst die wenigen Provider, die den Zugang ins Netz kontrollieren (deren Zahl durch Fusionen immer weiter reduziert wird). Sie bilden die Engstellen, an denen sie nun eine Internet-Maut erheben können, wie sie wollen. Dabei können sie ihre eigenen Inhalte bevorzugen.

Die zweite Gruppe sind mächtige Lieferanten von Inhalten wie Netflix, Spotify und Facebook. Die Plattform-Ökonomie hat ohnehin die Tendenz, Oligopole zu schaffen. Wer hat, dem wird gegeben. Der Traum vom Start-up-Erfolg in einem fairen Netz ist ohnehin schon in Gefahr, weil sich Google, Amazon, Microsoft und Facebook in immer mehr Märkten ausbreiten. Sie treten bei Weitem nicht mehr so vehement für Netzneutralität ein wie noch vor einigen Jahren - schließlich dürften sie von deren Abschaffung profitieren. Schon jetzt können sie dank Netzwerkeffekten und Bergen aus Kapital kleine Unternehmen ersticken, bevor die ihnen gefährlich werden. Das Ende der Netzneutralität gibt Konzernen die Möglichkeit, ihre starke Stellung auf dem Weg zum Endnutzer zu zementieren. Die Freiheit des Netzes muss mit Regeln im Sinne der Allgemeinheit erkämpft werden - und nicht mit Geschenken an einzelne Unternehmen.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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