Kommentar:Vorbild für Anleger

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Norwegens Staatsfonds verbannt Öl- und Kohleaktien aus dem Portfolio. Das ist vorbildlich: Anleger können Firmen dazu bringen, nachhaltiger zu werden.

Von Felicitas Wilke

Ausgerechnet das Land, das mit Öl und Gas reich geworden ist, verbannt die Aktien von mehr als 150 Öl-, Gas- und Kohlekonzernen aus seinem Wertpapierportfolio. Das norwegische Parlament hat am Mittwochabend entschieden, dass der staatseigene Fonds künftig noch nachhaltiger investieren soll. Der Weg, den Norwegen geht, ist richtig, denn er signalisiert auch den Unternehmen und der eigenen Bevölkerung: Die Technologien der Zukunft sind grün. Obwohl es für Privatanleger schwierig ist, die Strategie Norwegens eins zu eins zu kopieren, können sie vom Großinvestor aus dem Norden lernen.

Wenn es einen Staat auf der Welt gibt, der Interesse an steigenden Kursen für Öl- und Gaskonzerne haben müsste, dann wäre das Norwegen. Das große Land mit seinen nur 5,3 Millionen Einwohnern war eine eher unbedeutende Fischernation, bevor 1969 vor der Küste der Rohstoff entdeckt wurde, der sie zu einem der reichsten Länder überhaupt machen sollte. Doch schon seit den 90er-Jahren versucht Norwegen, sich vorzubereiten auf eine Zeit, in der die Welt nicht mehr so viel Öl braucht. Über seinen Staatsfonds legt das Land einen Großteil der Ölmilliarden in Aktien, Anleihen und Immobilien aus aller Welt an - um "den finanziellen Reichtum für die kommenden Generationen zu erhalten und aufzubauen", wie es in der Selbstbeschreibung des Fonds heißt. Dieser Zweck unterscheidet ihn von den Anlageprodukten der Fondsgesellschaften, die ein kommerzielles Interesse haben und mit cleverem Marketing, aber auch ziemlich hohen Gebühren um private Anleger buhlen. Für die Unternehmen, die Geld mit Geldanlage verdienen, ist ein grüner Anstrich schon vor "Fridays for future" zum Verkaufsargument geworden.

Die Norweger bewegte hingegen vor allem Vernunft zu ihrem Entschluss, bestimmte Branchen zumindest zum Teil aus dem Portofolio zu werfen: Das Land weiß selbst am besten, dass es volkswirtschaftlich ohnehin schon stark, inzwischen womöglich zu stark vom Öl abhängt. Deshalb wäre es unklug, auch als Anleger zu sehr darauf zu setzen. Zum weitgehenden Ausstieg aus Kohleaktien bewegten die Regierungsparteien nach eigener Aussage auch ethische Aspekte. Kohlekraftwerke schadeten dem Klima und seien ersetzbar, hieß es aus der Konservativen Partei, deshalb sei es richtig, stattdessen in erneuerbare Energien zu investieren. Diese Einschätzung ist korrekt und begrüßenswert.

Und doch würde die norwegische Regierung, die dem von der Zentralbank gemanagten Fonds einen Handlungsrahmen vorgeben darf, die Strategie nicht verändern, wenn sie nicht auch wirtschaftlich von grünen Technologien überzeugt wäre. Insbesondere die mitregierende Fortschrittspartei eint weltanschaulich manches mit der AfD. Sie kehrt der Kohle nicht den Rücken zu, um die Welt zu retten, sondern um die Rendite zu maximieren.

Investoren sollten Druck auf Unternehmen ausüben, damit diese nachhaltiger werden

Es spricht also viel dafür, dass auch Privatanleger ethisch und ökonomisch richtig handeln, wenn sie grün investieren. Nur leider gestaltet es sich für sie schwieriger als für Norwegen. Denn ausschließlich auf erneuerbare Energien zu setzen, wäre wegen des Klumpenrisikos unklug. Anders als der reiche Staat im Norden kann jedoch kein Normalverdiener die Aktien Tausender Unternehmen aus verschiedenen Branchen kaufen. Für aktiv gemanagte oder passive Nachhaltigkeitsfonds, die viele Aktien in einem Produkt vereinen, fallen wiederum teils hohe Gebühren an. Zumal nicht überall nachhaltig drin ist, wo es draufsteht: Manche Fondsgesellschaften legen den Begriff nur nach ökologischen Kriterien aus, manche auch nach sozialen. Und einige investieren sehr wohl in Öl- und Kohlekonzerne - wenn auch nach dem "Best-in-Class"-Ansatz in die "nachhaltigsten" ihrer Art. Vermeintlich grüne Investitionen verkommen so schnell zur Farce.

Norwegen hat einen eigenen Ethikrat, um sicherzugehen, dass der Staatsfonds nicht in Unternehmen investiert, die etwa Kinderarbeit dulden. Doch eine solche Instanz werden sich Fondsgesellschaften kaum leisten wollen, zumindest nicht ohne die Kosten an die Anleger weiterzureichen. Trotzdem sind Anleger nicht völlig machtlos: Sie können genau prüfen, nach welchen Kriterien ihr Fonds zusammengestellt ist. Und sie haben die Chance, genau wie Norwegen einzelne Aktien von Unternehmen aus ihrem Depot zu werfen, die bislang vor allem am Gestern festhalten. So können sie Druck auf die alten Konzerne ausüben, an neuen Geschäftsmodellen zu tüfteln. Das wäre doch was, wenn es künftig sogar halbwegs nachhaltig wäre, in Dax-Konzerne zu investieren.

© SZ vom 14.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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