Kommentar:Vom Konsens zur Kumpanei

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Letztlich ist Hartz an dem System gescheitert , das er selbst aufgebaut hat: Er ist in die Konsensfalle gelaufen. In dem Bemühen, mit möglichst wenig Konflikten möglichst viele Arbeitsplätze zu retten, wurde zu wenig kontrolliert und zu wenig entschieden.

Von Nikolaus Piper

Der Rücktritt von Peter Hartz hat eine zutiefst tragische Komponente. Ja, der berühmteste Personalvorstand der Republik hat bei Volkswagen ein übles System von Begünstigungen seitens des Betriebsrats geduldet. Aber er hat eben auch als kreativer Tarifpolitiker unzählige Arbeitsplätze gerettet.

Ja, Hartz ist heute der Buhmann wegen der nach ihm benannten Arbeitsmarktreformen. Aber was wäre ohne sie gewesen? Tatsächlich war Peter Hartz einer der ersten in Deutschland, die sich getraut haben, über Reformen nicht nur zu reden, sondern zu handeln und mit ihrem Namen dafür einzutreten.

Jetzt ist der Personalchef in einen Strudel täglich neuer Enthüllungen geraten. Und wenn erst einmal von Luxusreisen und Edel-Prostituierten die Rede ist, gibt es keinen Ausweg mehr, selbst dann nicht, wenn man sich selbst nicht begünstigt hat.

Es gibt viele Lehren aus dem VW-Skandal: Die einfachste ist noch, dass man als Chef Eigenbelege bei Spesenabrechnungen ab und zu überprüfen sollte. Noch weiß niemand, was alles noch bekannt wird.

Gefühl für das rechte Maß verloren

Klar ist, dass das VW-Management sehr weit gegangen ist in dem Bemühen, den Betriebsrat bei Entscheidungen mitzunehmen. Damit haben aber nicht nur die Arbeitnehmervertreter, sondern auch Hartz und seine Mitarbeiter selbst das Gefühl für das rechte Maß verloren - ein Phänomen, das auch aus anderen Chefetagen bekannt ist.

Letztlich gescheitert ist Hartz aber an dem System, das er selbst aufgebaut hat, er ist in die Konsensfalle gelaufen. In dem Bemühen, mit möglichst wenig Konflikten möglichst viele Arbeitsplätze zu retten, wurde zu wenig kontrolliert und zu wenig entschieden.

Das alles war der Nährboden für den Schmiergeld-Skandal, es führte aber, schlimmer noch, das Unternehmen in eine tiefe Krise. VW ist viel zu teuer, die vermeintlichen Errungenschaften der Betriebsräte in Wolfsburg werden finanziert von den weniger verdienenden Arbeitern bei Skoda in Tschechien, bei Audi in Ingolstadt und anderswo.

Jetzt muss der neue VW-Markenchef Wolfgang Bernhard mit brutalen Schritten das Unternehmen sanieren. Zur Tragik von Peter Hartz gehört es, dass er, obwohl er schon früher hätte ausscheiden können, im Amt blieb, um Bernhard bei dieser Aufgabe zu helfen.

Es bleibt die Erkenntnis, dass an einem klaren System der Unternehmens-Kontrolle kein Weg vorbei führt. Der Übergang vom Konsens zur Kumpanei ist gefährlich leicht, vor allem dann, wenn das Tempo des internationalen Wettbewerbs das ganze System zusätzlich belastet.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff mag sich freuen, dass es in Wolfsburg den Kanzlerfreund Hartz erwischt hat. Die Freude dürfte aber nicht allzu lange dauern. Auch er steht vor unbequemen Entscheidungen: Wulff sollte schleunigst den unheilsamen Einfluss der Politik auf VW beenden, das VW-Gesetz abschaffen und dem Autobauer die Chance geben, ein ganz normales Unternehmen zu werden.

© SZ vom 9.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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