Kommentar:Viel Mut zum Risiko

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Bei Merck mag man sich denken, dass die Übernahme von Schering neuen Erfolg verspricht. Doch Vorsicht: Synergien gäbe es nur im Geschäft mit Krebsmitteln - einer vergleichsweise kleinen Sparte.

Kristina Läsker

Die deutschen Pharmafirmen stecken seit längerem in der Klemme. Etwa sieben größere Unternehmen tummeln sich auf dem Markt - doch keines von ihnen erlöst mehr als neun Milliarden Euro pro Jahr.

Lediglich der nicht börsennotierte Familienkonzern Boehringer Ingelheim schafft es, bei den renommierten Pharmakonzernen weltweit vorne mitzuspielen. Alle anderen sind zwar profitabel, aber zu klein - ihr Erfolg basiert vor allem auf umsatzstarken Nischenpräparaten.

Die Firma Bayer reagierte schon vor längerem auf die Misere, trennte Pharma- und Chemiegeschäft und verdient nun Geld mit anderen Präparaten: Bayer ist längst kein Pharmakonzern mehr.

Zu klein

Der Bad Homburger Altana-Konzern folgt diesem Weg der Aufspaltung: Im Spätherbst soll die Chemie an die Börse, für Pharma wird ein Käufer gesucht. Auch hier weiß die Eignerfamilie Klatten inzwischen: Die Pharmasparte mit nur einem Verkaufsschlager ist zu klein.

Bei Schering ist zu sehen, wie gefährlich Nischenstrategien für mittelgroße Firmen sein können. Etwa, wenn wie im vergangenen Jahr ein Hoffnungsträger in der Produktentwicklung stirbt. Oder wenn wie jetzt die Umsätze des Verkaufsschlagers Betaferon bedroht sein könnten.

Extrem risikoreich

Die fehlende Masse an Medikamenten in Forschung und Entwicklung verbunden mit Fehlschlägen können eine Firma erheblich gefährden. Denn die Arzneimittelentwicklung ist extrem risikoreich: Nur eins von zehn Medikamenten schafft es auf den Markt. Das kostet bis dahin eine Milliarde Euro.

Und schon längst sind die deutschen Forschungslabore nicht mehr die innovativsten der Welt - dieser Ruf gehört den USA. Und wer als Arzneimittelhersteller zu wenig innovativ ist, aber wie Schering attraktive Medikamente hat, ist angreifbarer für Übernahmen.

Bei Merck mag man sich denken, dass die neue Größe zu neuem Erfolg verspricht. Doch Vorsicht: Synergien gäbe es nur im Geschäft mit Krebsmitteln, doch eine derart kombinierte Sparte würde nur ein Zehntel zum Umsatz beisteuern.

Merck würde mit der Übernahme weiter ein bunt gemischter Konzern bleiben, mit chemischen Flüssigkristallen, innovativen Medikamenten gegen diverse Krankheiten sowie nachgemachten Arzneimitteln. Das sind mindestens drei komplett verschiedene Geschäfte, die anderen Gesetzen folgen, unter einem Dach.

Ungewöhnlicher Weg

Merck wäre unter den erfolgreichen Pharmakonzernen der einzige, der seine Mischstruktur nicht auflöst, sondern fortsetzt. Ein ungewöhnlicher Weg, den wohl nur ein Familien dominiertes Unternehmen gehen kann - mit viel Mut zum Risiko.

© SZ vom 13.03.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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